Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
nach der Zufuhr energiespendender Lebensmittel.
Ich bin ein wenig irritiert, als Jenny mir unauffällig mit ihrer Zigarettenschachtel winkt. Vielleicht auch weil ich ja gar keine Raucherin bin. Aber ihr bittender Blick macht mich stutzig. Sie will mehr als nur mitteilen, dass sie eine Zigarettenpause braucht. Sie will, dass ich mitkomme. Auf dem Weg nach draußen legt sie unauffällig eine Zigarette neben meine Bleistifte.
Ich will sie nicht. Und ich will nicht mitgehen. Ich bin zwar schon bei Frage 60, aber …
Na hör mal, Lena. Du bist schon bei 60. Du liegst hervorragend in der Zeit. Du hast ein verdammt gutes Gefühl. Geh mit! Jennys Blick wirkt so verzweifelt, so bittend. Sie ist schon fast draußen; die Aufsichtsperson, die sie rausbegleitet, hält ihr die Tür auf.
Ich gebe mir einen Ruck. Ich kann ja mal ausprobieren, ob die Aufsicht mich überhaupt zur selben Zeit rausgehen lassen würde.
Ich suche den Blick einer Frau, die in meiner Nähe am Rand sitzt und die Prüflinge beobachtet. Fragend halte ich die Zigarette hoch. Sie lächelt und nickt. Na klar. DIESE brave Studentin hat ja in den letzten zwei Tagen nicht EINMAL ihren Platz verlassen. Wenn DIE eine Zigarette braucht, soll sie sie haben. Das Lächeln der Frau wirkt sogar so wissend, als wundere sie sich schon seit gestern, dass ich das hier alles ohne eine einzige Zigarette überstehe. Sie steht auf und begleitet mich hinaus.
Ich rechne damit, auf einen anderen Hof geführt zu werden. Was immer Jenny sich gedacht hat – es wird sicher nicht funktionieren. Aber die Frau steuert den offenen Hof vor der Turnhalle an.
Jenny steht dort neben dem Mann, der auf sie aufpassen soll. Die beiden reden miteinander. Sie klopft ihre Taschen ab. Sucht sie ihr Feuerzeug? Oder zögert sie es nur hinaus, weil sie auf mich wartet? Was will sie denn nur? Hier sind ZWEI Aufpasser!
Na gut, einer. Die Frau, die mich rausgebracht hat, nickt ihremKollegen zu, der winkt mich zu sich – und als ich bei ihm bin, verschwindet meine Begleiterin wieder nach drinnen.
Ich stehe neben Jenny, sie lächelt mich an. »Ach, da ist ja mein Feuerzeug!« Sie hält mir die Flamme hin.
Ich weiß immer noch nicht, was ich hier draußen soll. Aber wozu ich jetzt gebeten bin, ist klar: Rauchen. Ich ziehe an der Zigarette, bis sie aufglüht. Bäh. Widerwiderwiderlich. Aber was macht man nicht alles für eine verzweifelte Freundin. Wenn ich nur wüsste, was ich EIGENTLICH für sie tun soll!
Ich täusche Rauchen vor, indem ich ab und an am Filter ziehe – nur so, dass die Zigarette nicht ausgeht –, sie sonst so weit von mir weghalte, dass es grade noch halbwegs natürlich aussehen könnte, und hoffe, dass sie schnell herunterbrennt.
»Stress, was?!«, sagt der Aufsichtsmann. Jenny nickt und lächelt. »Dürfen wir uns unterhalten?«, fragt sie brav. »Ich muss mich kurz ein bisschen entspannen.«
»Aber nicht über die Aufgaben.«
Jenny nickt. Aber worüber will sie sonst so dringend reden, dass sie mich mitten in der Prüfung nach draußen locken muss?! Ich kann nur inständig hoffen, dass sie sich nicht irgendeinen komplizierten Geheimcode ausgedacht hat. Und noch mehr, dass – falls es doch so sein sollte – der Code verdammt kompliziert ist. Und nicht gleich vom Aufsichtsmann durchschaut wird. Die Peinlichkeit wäre nicht auszudenken. Von den Konsequenzen ganz zu schweigen. Oh Mann, ich zittere jetzt schon.
Jenny lächelt mir zu. Und fragt im Plauderton: »Hast du Doreen erreicht? Ich hab schon 13-mal versucht, sie anzurufen …«
Ich kenne keine Doreen. Jenny auch nicht. Doreen ist wahrscheinlich der erste Name, der ihr eingefallen ist, der mit D anfängt. Und dann habe ich noch eine 13 gehört. 13, 13, 13 … Nein, das war nicht D, das war B. Aber bei Frage 20 … da wäre Antwort D korrekt.
Ich bin fast diebisch stolz auf meine Antwort.
»Nein, das bringt nichts«, rate ich, »versuchs bei Bine! Bei Doreen kannst es 20-mal klingeln lassen, die hört es nie.«
Der Aufsichtsmann lächelt. Vielleicht hat er auch eine schwerhörige oder telefonverweigernde Freundin.
Okay. Okay, okay, okay. Überstanden. Können wir jetzt wieder reingehen?
Aber nein, Jenny hat noch nicht genug.
»Wär schon gut, wenn wir sie noch erreichen«, sagt sie. »Weil doch um 19 Uhr der Elektriker kommen wollte.«
Puh. Es wäre nett – und unauffälliger –, wenn ich jetzt einfach Ja antworten könnte. Aber bei Frage 19 habe ICH nicht E angekreuzt. Sondern C. Wie zur Hölle
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