Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
mit mütterlich-gönnendem Lächeln ab, damit Alex und ich wenigstens kurz allein sein können, und klettert zu Jenny in die Ente. Ich steige glücklich in Alex’ alten Wagen – und finde tütenweise Essen.
»Ich dachte, du bist vielleicht verhungert«, lächelt er, »und wusste nicht, ob du es noch bis zu einem Imbiss schaffst.«
»Hätte ich nicht«, entgegne ich, schon mit vollem Mund. Die dampfende Styropor-Schachtel vor mir, eben noch mit einem Gemüseburger gefüllt, enthält schon nur noch ein ausgerissenes Salatblatt. Meine gierigen Augen entdecken eine Lieferservice-Schale mit dem Emblem unsere Lieblings-Asialadens – und auf dem Rücksitz eine Tüte vom Kreuzberger Currykarl. Ich reiße weitere Alufolien-Verpackungen auf und esse alles durcheinander. Ich könnte einen Wal verspeisen. Einen Pottwal in Blauwal-großem Sandwich.
Herrlich, einen Freund zu haben, der nicht annimmt, dass Frauen von Luft und Ruccolablättchen leben! Erst als mein Magen nicht mehr nach weiterer Nahrung schreit, wird mir klar, dass Alex eine wahre Odyssee hinter sich haben muss. Er hat Essen aus allen Teilen der Stadt zusammengetragen. All meine Lieblingsverpflegungen, zwischen denen man sich sonst immer qualvoll entscheiden muss, weil die Läden so weit auseinanderliegen.
Aber Alex wehrt meinen Dank grinsend ab. »Worin besteht denn sonst der Sinn meines Lebens«, lacht er, »wenn ich nicht durch Berlin kutsche, um durch das Sammeln von Futter die weltbeste Ärztin am Leben zu halten. Damit bin übrigens ICH es, der die Welt rettet … nur indirekt, aber entscheidend.«
Ich stimme zu – aber nur, weil das mit vollem Mund einfacher ist als ausführliches Widersprechen.
»Wenn du magst, mach kurz die Augen zu, bevor der Lernwahn gleich weitergeht«, sagt Alex und drückt mitfühlend meine Hand. »Ein albernes Hörspiel zur Entspannung gefällig?«
Er schiebt eine Kassette in das alte Radio. Benjamin Blümchen und die Schule. Sofort schaltet mein Gehirn auf Pause. Ich schließe kurz die Augen und höre zu, wie Alex leise und vergnügt die Titelmelodie mitsingt. Womit hab ich das nur verdient?
»Hast du den ganzen Fragebogen geschafft?«, fragt Alex, als ich fünf Minuten später, deutlich erholter, die Augen wieder öffne.
»Etwas mehr als nur meinen«, grinse ich und erzähle von unserem Hof-Ausflug. Alex findet den Trick sehr raffiniert – und für ihn spricht nichts dagegen, einer Freundin beizustehen.
Einer Freundin, die das – wie sich am Abend herausstellt – bitter nötig hat …
Heute bin ich es, die unmittelbar nach Alex’ Verabschiedung an den Computer stürzt … und erleichtert feststellt, dass es einigermaßen glimpflich ausging. (Das ist die bescheidene Darstellung für meine Freundinnen. Innerlich werden Fahnenmeere geschwenkt, Tänze aufgeführt und Bonbons geworfen. Ich habe fast alles richtig und dürfte bei nahezu 80 Prozent liegen!)
Die drei Antworten, bei denen ich wegen Zeitmangels raten musste, sind übrigens alle drei korrekt. Der Glückskuli hat die Kreuze an der richtigen Stelle gesetzt.
Isa überprüft ihr Ergebnis mit gelassener Miene. Aber ich muss ihr nur ganz kurz in die Augen sehen, um dahinter das Toben und Funkeln IHRES Karnevalszugs zu erkennen. Sie hat heute einen einzigen Fehler gemacht. Und damit für die Schriftliche ein perfektes Ergebnis in der Tasche.
Jenny nickt auch. »Wird schon«, sagt sie auch diesmal. »Ich darf nur bei der Mündlichen nicht patzen.«
Aber auch heute nennt sie keine Zahlen. Und selbst an diesem Abend schlägt sie ihre Lehrbücher noch einmal auf. Obwohl Isa und ich heute einen freien Regenerations-Bade-Frühschlaf-Abend einlegen wollten.
Es ist ganz ungewohnt, von Jenny zum Lernen getrieben zu werden. Aber sie hat recht. Das Schlimmste steht uns noch bevor.
Sobald ich wieder vor dem Pharmakologiebuch sitze, verstehe ich nicht mehr, wie ich DAS drei Tage lang verdrängen konnte. Es ist vollkommen egal, ob mein schriftliches Ergebnis sich den 90 Prozent nähert – es könnten auch 190 Prozent sein: Das bedeutet überhaupt nichts, wenn ich keinen Weg finde, mich binnen zweier Wochen mithilfe irgendeines Wunders in eine Pharmaexpertin zu verwandeln.
Eine Stunde später schlurfe ich müde in Jennys Zimmer, um eine Wirkstofftabelle zu suchen … und sehe, dass ein Zipfel eines Aufgabenbogens aus dem Papierkorb lugt.
Das macht man nicht, Lena.
Aber da liegen sie, tief zwischen alte Zeitungen und Notizzettel gestopft – alle drei.
So
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