Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Land anlese, von dessen Existenz ich bis vor einer Woche nur eine vage Ahnung hatte, das ich voraussichtlich nie bereisen werde und das für mich nur deshalb von traurigem Interesse ist, weil es jemanden beherbergt, dessen Abschiedslächeln immer noch durch meine Träume spukt. Nein, ich könnte ein bisschen Ablenkung gebrauchen. Aber ausgehen will ich auch nicht alleine.
»Wer spricht denn von ›allein‹?«, fragt Jenny empört. »Du kommst mit uns mit!« Felix und sie wollen eine schicke neue Bar auskundschaften. Auf meine Frage, ob sie nicht vielleicht ein bisschen zu zweit sein möchten, lacht sie. »Wer Zweisamkeit will, sollte nicht in eine Bar gehen, oder?«
Damit hat sie zwar recht, doch ich möchte mich nicht wie das fünfte Rad fühlen. »Du könntest auch mal wieder aus dem Haus gehen«, versuche ich einen nicht ganz fairen Umweg bei Isa.
Sie aber seufzt und lehnt ab. »Am Wochenende. Heute bin ich zum Skypen verabredet.« Sie sieht uns mitleidheischend an.»Eine Beziehung ist Arbeit, Mädels. Und eine Fernbeziehung sogar Schwerstarbeit.« Sie verzieht sich schön gekämmt vor ihren Rechner. Düpdüdüü Dipdidii, das typische Skype-Klingeln. »Hallo Schatz«, lächelt Isa. »Na endlich!«
Ich schließe ihre Tür und entscheide, MEINEN Computer auszulassen und mit Jenny und Felix mitzugehen. Denn es ist rührend, wenn man vor einem Computer sitzt, um einfach alles mit einem weit entfernten Menschen zu teilen. Aber armselig, nur davorzusitzen, weil man sich einem Mann am anderen Ende der Welt ein Fitzelchen näher glaubt, wenn man die Temperaturen googelt, in denen er sich gerade bewegt. Und um die Illusion, dass er sich ausgerechnet heute melden könnte, auch nur für eine Mikrosekunde in Hoffnung zu verwandeln, ist es heute eindeutig zu spät.
I ch hatte Träume heißt die Bar, sie ist urgemütlich und trotzdem sehr schick. Über riesigen Sofas pusten versteckt in die Wand eingelassene Apparate Seifenblasen in das schummrige Licht. Wahrscheinlich sollen sie auf den Namen des Ladens anspielen; es fragt sich nur, ob auch der etwas melancholische Nebeneffekt gewollt ist, denn natürlich zerplatzen die Seifenblasen ringsum an Wänden, Gläsern und Gästen. (Ein klein wenig nervend ist es schon, dass sich dauernd die typischen Seifenlaugenringe auf Sofalehnen, Tischen und Hosenbeinen bilden, aber trotzdem ist der Laden selbstverständlich todschick – und Jenny wirkt immer persönlich verletzt, wenn man an den angesagten, exzentrischen Berliner Bars herumnörgelt.)
Felix organisiert uns gerade neue Getränke, als ein dunkelhaariger Typ neben Jenny auf die Couch fällt und sagt: »Mensch, ich dachte schon, du bist verschollen.«
Er freut sich offenbar sehr, sie zu sehen; die beiden begrüßen einander mit einer begeisterten Umarmung. Ich halte unwillkürlich nach Felix Ausschau. Die Kombination aus attraktivem Typen, sichtbarer Vertrautheit und Jennys Augenfunkeln lässt bei mir alle Alarmglocken klingeln. (So ein Drama wie im letzten Jahr, als Jenny sich aus purer Lebensfreude zwei Freunde gleichzeitig gönnte und dann volle Fahrt voraus in ihren ersten und schlimmsten Liebeskummer segelte, steh ich nicht noch einmal durch.) Aber siehe da, Jenny ist immer wieder für eine Überraschung gut.
»Nö«, lacht sie den Dunkelhaarigen an, »nicht verschollen, nur seit Neustem liiert.«
Offenbar ist er genauso erstaunt wie ich – und er scheint Jenny außerdem recht gut zu kennen. »Wow«, antwortet er lächelnd. »Ich meine nicht, dass du es bist. Sondern dass du es zugibst, obwohl im Moment gar kein Freund zu sehen ist!«
Jenny schlägt ihn zur Strafe mit ihrer Cocktailserviette, aber der Typ hat recht. Es ist eine neue Erfahrung, unseren Schmetterling damit angeben zu hören, dass er nun nicht mehr gänzlich unabhängig und spaßgesteuert herumflattert.
Der Dunkelhaarige beugt sich zu mir, entschuldigt sich und stellt sich vor. Er heißt Alex, ist ein Schulfreund von Jenny und studiert irgendetwas mit Kulturmanagement, winkt aber gleich ab und gibt mit ziemlich gewinnendem Lächeln zu, dass er die Uni schon eine Weile nicht mehr von innen gesehen hat. Überhaupt hat er eine recht einnehmende Art. Während er mich über unsere Arbeit ausfragt, fühlt es sich an, als würden wir uns längst kennen. Felix kommt zurück und auch ihn behandelt Alex gleich, als seien sie alte Freunde.
Die Musik wechselt, ein neuer DJ tritt hinter das Pult. Irgendwie hat er den Dreh nicht so raus wie sein Vorgänger, das
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