Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
besorgt – und sicher trägt ihr Mann nicht unerheblich dazu bei, denn er verlangt, dass augenblicklich etwas getan wird. Dass ich kein Kinderarzt bin und hier auch keinervonnöten ist, will er nicht hören. Meine Beteuerungen, der Arzt hätte völlig richtig reagiert, führen nur dazu, dass er auch meine Kompetenz immer stärker anzweifelt. Nett, Lena, für diesen Mann bist du die einzige fähige Ärztin in der gesamten Klinik. Nur schade, dass du das gerade ganz und gar nicht genießen kannst. Aber sei fair; es ist doch selbstverständlich, dass die Eltern beim Anblick dieses armen gelben Zwergleins in Unruhe geraten.
»Tun Sie was!« Herr Perkins ist schon wieder kurz davor, an meinem Kittel zu zerren. »Egal, was es kostet!«
Jetzt hört’s aber auf! Glaubt er wirklich, hier wird nichts unternommen, um seinem Kind zu helfen, weil wir uns diese Hilfe teuer bezahlen lassen wollen?! Langsam macht er mich wütend. »Selbst wenn Sie das ganze Krankenhaus kaufen«, sage ich so ruhig ich kann, »wird kein seriöser Arzt ihre kleine Tochter einer unnötigen Behandlung unterziehen.«
»Wenn Sie nichts unternehmen, müssen wir die Klinik wechseln«, ist die einzige Entgegnung, die ihm einfällt. Ich traue ihm das durchaus zu. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Vielleicht hat der Kinderarzt einfach nicht die Zeit gehabt, den Eltern mit der notwendigen Ruhe und Überzeugung klarzumachen, dass mit ihrem Baby alles in Ordnung ist. Sicher hat ein Arzt von der Nachtschicht die Untersuchung durchgeführt – und ich kann mir vorstellen, dass der andere Sorgen hatte als unnötig aufgeregte Schreimänner. Ich erkläre, dass ich mir erst mal einen Überblick verschaffen muss. »Ich werde mir jetzt die Testergebnisse holen, sie noch einmal prüfen und dann reden wir in Ruhe über alles«, sage ich. Herr Perkins atmet so tief durch, als hätte er ganz allein und mit übermenschlichen Kräften erwirkt, dass die seelenlosdesinteressierten Ärzte endlich sein Baby retten. Ich werfe einen Blick zu seiner Frau, sie sieht müde aus. Ich muss verhindern, dass sie jetzt von ihrem hysterischen Mann in ein anderes Krankenhaus geschleppt wird!
Also mache ich mich auf den Weg zum Schwesternzimmer, um den Befund einzusehen. Die Kinderschwester, die ich um dieLaborergebnisse bitte, ist irritiert – klar, sie findet es etwas seltsam, dass eine PJlerin ihren Vorgesetzten kontrolliert. Aber sie gibt mir die Befunde und wie vermutet ist mit der kleinen Suraya alles in bester Ordnung. Auf dem Rückweg muss ich mich nur dafür wappnen, jetzt Herrn Perkins die Bedeutung – und Harmlosigkeit! – jedes einzelnen Wertes zu erklären. (Ich verkaufe es mir selbst als prima Übung für die Abschlussprüfung. Da muss ich schließlich auch alles haarklein erläutern können.)
Am Flurende erspähe ich einen Bubikopf. Vielleicht kann die Stationsärztin mir ja eine Sekunde beistehen? Ihr Wort hat sicher noch ein wenig mehr Gewicht als meins. Dr. Seidlers praktisch kurz frisierten Haare hüpfen bei jedem Schritt, als könnten sie durch die Schwungkraft den eiligen Gang der Ärztin noch etwas beschleunigen. Sie läuft auch keine Sekunde langsamer, als ich sie einhole und schnaufend die Lage erkläre.
»Sie machen das schon«, ist das Einzige, was ich zu hören kriege. Dr. Seidler findet, dass es erstens normal ist, dass junge Eltern ein bisschen durchdrehen und ich zweitens froh sein kann, dass »meine« Patientin nur Verständnisprobleme hat – und keine gefährliche Wundheilungsstörung wie die Patientin, zu der sie auf dem Weg ist. Ich verstehe und lasse sie ziehen. Denn sie hat absolut recht.
Auf dem Weg zurück zu Frau Perkins’ Zimmer komme ich an der Frühchenstation vorbei. Und ein Blick auf die armen kleinen Würmchen lässt meine Wut auf Herrn Perkins explodieren. Ich marschiere zurück zum Krankenzimmer – und diesmal bin ich es, die IHN am Ärmel zieht.
Wortlos zerre ich ihn hinter mir her bis zum Fenster des Frühchen-Raumes. Er darf das Zimmer nicht betreten, doch ein Blick durch das Glas wird reichen. »Sehen Sie sich das an!«, sage ich grob und muss mich zügeln, ihn nicht mit der Nase an die Scheibe zu drücken.
Herr Perkins starrt die vielen Maschinen an und weiß nichts zu sagen. Neben einem Inkubator sitzt eine Frau still auf einem Stuhl. Sie ist in eine Decke gehüllt und streichelt abwesend denBrutkasten, in dem ihr winziges Baby liegt. Ich könnte heulen, als ich sie dort sitzen sehe, ihre zärtliche Hand auf der
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