Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
kann – und will. Aber Felix scheint die perfekte Ergänzung für meine überdrehte Freundin zu sein, der Erste, für den sie Platz schafft auf dem bisher von ihr allein besetzten Mittelpunkt.
Letztlich wird es ein schöner, entspannter Abend. Wir faulenzen zu dritt auf Jenny Bett rum und lassen ihr ihren Willen, was die Aussparung von ihr ungeliebter Szenen betrifft; dafür nutze ich die Momente, wenn Jenny eine Szene wiederholt, um Felix schnell zwischendurch aufzuklären, was in den übersprungenen Szenen passiert ist. Schließlich findet sich auch Isa bei uns ein, die nach ihren Telefondates immer ein bisschen trist ist und sich nach ablenkender Gesellschaft sehnt. Wir vernichten alle Eisvorräte und als Isa und ich unser Liebespaar schließlich allein lassen, teilen wir in der Küche noch den allerletzten Rest Schlagsahne und trösten uns ein wenig über unsere Sehnsucht hinweg.
Ich habe es leichter, mit: »Du siehst ihn ja übermorgen!« ist Isa schon aufgemuntert. Für sie ist es schwieriger. »Vielleicht denkt er auch gerade an dich«, sagt sie schließlich leise. Ich nicke, auch wenn diese Überlegung mir gar nicht hilft. Denn bei mir springt sofort das Kopfkarussell an. Wenn er auch an mich denkt, dann könnte er sich doch melden … oder einfach vor der Tür stehen … sagen, dass alles falsch war … dass er mich auch nicht vergessen kann und wir unsere Vernunftsentscheidung rückgängig machen sollten …
»Oder du versuchst wirklich, dich ein bisschen abzulenken.«
Ja, das wäre sicher richtig. Ich kann es nur einfach nicht.
Am nächsten Morgen erwartet uns Dr. Seidler schon an Evelyns Empfang. »So, meine Lieben«, sagt sie. »Es wird Zeit, dass Sie anfangen, richtig zu arbeiten.« Wir tauschen perplexe Blicke – glaubt sie, dass wir die ganze Woche Däumchen gedreht haben, während sie ihren Flurmarathon absolviert hat? Als ich aber Patrick und Johanna verlegen lächeln sehe, ahne ich, woher der Wind weht. Vielleicht habe ich die Stationsärztin unterschätzt und ihr ist sehr wohl aufgefallen, dass die Hälfte ihrer kleinen PJler-Schar ohne konkrete Anweisungen den bequemsten Weg geht, um die Zeit auf der Gyn herumzubringen.
Dr. Seidler möchte, dass wir mehr Patienten übernehmen, und teilt gleich mal Akten aus. Ich bekomme zusätzlich zu Frau Perkins eine Risikoschwangerschaft, die eben eingeliefert wurde – und Frau Rühlemann, das Mammakarzinom in Zimmer 4. Dass wir trotzdem unsere Wagenrunden drehen und mit zur Visite gehen sollen, ist selbstverständlich und so steht nach Dr. Seidlers gewohnt hurtigem Abgang fest, dass ein mächtig voller Arbeitstag auf uns wartet.
Meine Risikoschwangere heißt Anke Frisch. Vielleicht ist sie älter als 35, bekommt Mehrlinge oder hat Diabetes, aber mit Ruhe und Rundumüberwachung werden wir ihr Baby schon gesund auf die Welt kriegen. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer schlage ich ihre Akte auf. Frau Frisch hat weder Diabetes noch die 35 überschritten. Aber sie hatte bereits zwei Fehlgeburten.
Abrupt bleibe ich stehen. Ich muss tief durchatmen. Fast hätte ich mich von Dr. Seidlers Eile anstecken lassen. Aber ich bin noch keine erfahrene Ärztin, niemand, der mit der Akte in ein Patientenzimmer stürmt, kurz und sachlich zusammenfasst, warum das Gewesene schrecklich war, aber nicht unbedingt noch einmal vorkommen muss, und dann beherzt zur Tat schreitet. Ich hätte wohl nicht mal meine Mimik kontrollieren können, wenn ich erst am Patientenbett von Frau Frischs Schicksal gelesen hätte.
Ich ziehe mich ins Arztzimmer zurück und arbeite die Akte durch. Wenn ich ihr beistehen will, muss ich wissen, was auf unszukommen könnte, muss ich erst einmal mich selbst mit dem Schlimmsten konfrontieren, was passieren könnte: dass es noch einmal schiefgeht.
Frau Frischs Blutgerinnung, Schilddrüse und Chromosomen sind überprüft worden. Das humangenetische Gutachten und die pathologischen Befundberichte lassen nicht erwarten, dass so etwas ein drittes Mal geschieht. Beide Babys hatten einen unauffälligen Chromosomensatz, alles war normal entwickelt. Der erste Embryo starb an einer Durchblutungsstörung. Den zweiten Embryo hat Frau Frisch wegen einer Gelbkörperschwäche verloren. Ihr Körper hat zu wenig Progesteron produziert, deshalb hat die Gebärmutter die Eizelle abgestoßen. So etwas hat hormonelle Ursachen und passiert stressbedingt. Es kann sein, dass der Stress in der zweiten Schwangerschaft mit dem Abgang des ersten Embryos zusammenhängt. Aber
Weitere Kostenlose Bücher