Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
der Vorfreude auf das baldige Ende der Schreibarbeit – eine falsche Taste drücke. Der Computer reagiert mit einem Surren und der Bildschirm wird dunkel. NEIN! Hilfe! Fluchend fahre ich den Rechner wieder hoch, nur um festzustellen, dass keiner der Briefe, die ich mir abgerungen hatte, in akzeptablem Zustand gespeichert wurde. Weil ich in allen Dokumenten gleichzeitig gearbeitet habe, um Formulierungen von einem ins nächste kopieren zu können, ist nicht nur ein Schreiben im Äther verschwunden, sondern gleich ein ganzer Stapel. Ich muss mich sehr zusammenreißen, um gegen den Computer nicht tätlich zu werden. Und selbstverständlich ist das genau der Moment, in dem Dr. Seidler die Tür öffnet und fragt, wo die Briefe bleiben.
»Sofort«, sage ich automatisch. Mann, Lena, hättest du die Panne zugegeben, hätte dir die Stationsärztin sicher nicht den Kopf abgerissen! Jetzt aber kann ich nicht mehr zurück. (»Sie haben ›sofort‹ verstanden? Ich habe: ›Alles wurde gelöscht‹ gesagt!«) Dr. Seidler kündigt an, in einer Viertelstunde zurückzukommen. Und ich versuche, so schnell es geht, alles noch im Kopfspeicher Vorhandene wieder in die Tasten zu hauen und werde dabei so hektisch, dass ich einen Tippfehler nach demanderen mache. Wenn mich doch irgendjemand unterstützen könnte! Aber meine Kollegen sind ja alle im praktischen Dienst am Patienten unterwegs. O-Mund-Schwester Evelyn tippt sicher mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs. Aber sie um Hilfe zu bitten, wage ich dann doch nicht.
Als Dr. Seidler wieder auftaucht, bin ich völlig außer Atem und meine Finger sind steif wie Essstäbchen. (Maschineschreiben. DAS wäre ein nützliches Wahlfach gewesen. Aber du musstest ja unbedingt in die AG Literatur. Wann hast du zum letzten Mal ein Nicht-Fachbuch gelesen?!) Doch ich bin fast fertig und muss nur noch ein winziges Druckerproblem vorschützen, dann kann ich Dr. Seidler die Briefe übergeben. Ich hoffe, ich habe alle Schnelligkeitstippfehler eliminiert, immerhin kriegt auch Dr. Al-Sayed die Entlassungsbriefe zu sehen …
Endlich wanke ich erschöpft über den Gang davon – und entdecke, dass Patrick und Johanna, die ich ebenso im stressigen Volleinsatz wähnte, sich gerade im Treppenhaus einen Kaffee teilen. Sie plaudern in aller Ruhe und wirken vollkommen entspannt. Spontan überkommt mich die Lust, hier auch mal unbeherrscht herumzuschreien!
A m Abend das inzwischen altbekannte Manöver: Isa ist zum täglichen Gefühlsaustausch mit Tom verabredet, findet es aber unpassend, mir das unter die Nase zu reiben. Mit verschämt-unsicherem Lächeln erklärt sie, sie müsse »nur kurz an den Computer«. Ich bin froh, wenn ich nicht den ganzen Abend allein vor meinen Büchern verbringen muss – aber dafür würde ich Isa doch nicht eine Minute ihrer Computer-Zweisamkeit abknöpfen wollen! Nur weil ich selbst keine Beziehung habe?! (Nicht mal eine Fernbeziehung. Nur Ferne …)
Jenny hingegen trifft sich heute zu Hause mit Felix und fragt mich, welche DVD ich gern sehen und welche Eissorte ich dazu essen möchte. Ich finde nicht, dass sie für meine Abendgestaltung sorgen muss, doch Jenny hat DVD- und Eis-Orgie nicht als Trostpflaster für mich gedacht.
»Quatsch«, lacht sie, »Felix und ich liegen heute sowieso vor der Glotze und das Bett ist groß genug.«
Erst habe ich ein wenig Skrupel, doch auch Felix versichert, dass ihn meine Teilnahme an ihrem DVD-Abend freuen würde. »Wir streiten uns sonst dauernd«, grinst er. »Jenny überspringt nämlich alle Szenen, die sie langweilig findet – wie soll ein normaler Mensch da der Handlung folgen?!«
Jenny verteidigt sich mit dem Argument, dazu gebe es doch die Kapiteleinteilungen auf DVDs – damit man über die Auswahl der Szenen frei entscheiden könne.
Ich werde auch immer wahnsinnig, wenn sie bei Notting Hill dreimal anschaut, wie Hugh Grant sich als Journalist ausgibt, um Julia Roberts treffen zu können – und dafür jedes Mal Julias traurige Liebeserklärung in Hughs Laden überspringt –, aber im Moment beschäftigt mich etwas anderes: Ich sehe, wie Felix und Jenny einander aufziehen und dabei vollkommen glücklich wirken. Zwei, die die Schwächen und Macken des anderen genau kennen. Und sich absolut in Ordnung finden. Während all ihrer bisherigen Männergeschichten habe ich Jenny nur als Einzelwesen erlebt, nie wirklich als Teil einer Beziehung. Ich hatte Zweifel, ob sie ihr Leben tatsächlich mit jemandem teilen
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