Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Februar, viel zu kalt. Und bei dir drinnen ist es schön warm. Warte noch ein bisschen! Im Frühling ist es hier draußen viel schöner.« Ich rede immer weiter, einfach geradeaus. Wenn man einmal angefangen hat, ist es gar nicht mehr so schwer.
Frau Frisch sieht mich unsicher an. Ich gebe ihr das Bild zurück. »Hallo«, sagt sie zaghaft. Ich nicke ihr zu und verlasse das Zimmer. Eine Sekunde bleibe ich noch vor der geschlossenen Tür stehen. Tut sie es? Oder wollte sie nur mir einen Gefallen tun? »Hallo, Baby«, höre ich ihre leise Stimme durch die Tür. Ich bin ziemlich zufrieden mit meiner Strategie. Und dann haste ich zur nächsten Patientin, schon wieder katastrophal hinter dem Zeitplan.
Frau Rühlemann hat sich bereits einer antihormonellen Therapie unterzogen. Ihre Werte sind gut, der Tumor wurdeverkleinert, eine vollständige Entfernung und sogar eine Brusterhaltung scheinen möglich. Ihre OP ist für morgen geplant.
»Schön, dass mal jemand zum Quatschen kommt«, sagt Frau Rühlemann. »Langsam werde ich doch nervös.«
Erst mal rede nur ich. OP-vorbereitend wird heute der Wächterlymphknoten in Frau Rühlemanns Achselhöhle in einer nuklearmedizinischen Untersuchung analysiert. Die erste Aufnahme ist bereits heute Morgen gemacht worden, die zweite folgt um die Mittagszeit. Unterdessen müssen ein gynäkologischer Ultraschall, ein Röntgenbild der Lunge und ein Ultraschall der Leber vorgenommen werden. Am Nachmittag wird sich dann der Narkosearzt bei Frau Rühlemann vorstellen.
Sie nickt alles ab. »Und jetzt erzählen Sie mal ein bisschen«, sagt sie dann, als hätte ich nicht die letzten Minuten ununterbrochen geredet. »Hier wird einem die Zeit ganz schön lang.«
Natürlich bin ich nicht zum Schwatzen hier, aber nachdem ich ihre Werte kontrolliert habe, rücke ich mir trotzdem einen Stuhl an ihr Bett. Ich kann absolut verstehen, dass sie nervös ist und die radiologischen Untersuchungen können ja vielleicht noch zwei Minuten aufgeschoben werden.
Kaum sitze ich, legt Frau Rühlemann los: SeitwannsindSiehier?GefälltsIhnen?WaswollenSiewerden?Warum? Während ich im Plauderton die vergangenen zwei Tertiale zusammenfasse – natürlich nur die angenehmen, lehrreichen Aspekte – nickt sie die ganze Zeit und macht zustimmend »hmm hmm hmm«, sieht dabei aber aus, als ob sie sich immer schon die nächste Frage überlegt. DurftenSieschonoperieren?HatdasSpaßgemacht?WasdurftenSietun? Ich mache den Fehler zu fragen, was SIE denn so arbeitet. Das »hmm hmm hmm« stoppt, dafür setzt ein Wortschwall ein, in dem sie mir in einem Atemzug von der Physiotherapie, ihren Aufgaben dort und den unmöglichsten Krankengeschichten erzählt.
Sie redet ohne Punkt und Komma. »KennenSieja« wird ziemlich oft dazwischengeschoben, oder zur Abwechslung manchmal »Siewissenschon« – dann geht das Maschinengewehrfeuer weiter.Jetzt bin ich es, die »hmm hmm hmm« macht, während meine Gedanken, ehrlich gesagt, ein wenig abschweifen … zurück zu Frau Frisch. Irgendwas war komisch an ihrer Art, mit dem Baby zu sprechen. Ich komme nur nicht drauf, was es ist …
Frau Rühlemann ist mittlerweile bei der Ernährungsberatung angekommen. Sie hat vor einiger Zeit eine Zusatzausbildung dafür gemacht und ihre Geschichten über unvernünftige Esser sind natürlich auch unerschöpflich. Okay, Lena, wenn du nicht bald unterbrichst, sitzt du morgen früh noch hier.
»Wir müssen los«, sage ich einfach mitten in einen ihrer Endlossätze hinein, »sonst kommen die Kollegen in der Radiologie ganz aus dem Zeitplan.« Sie sieht mich enttäuscht an. »Sie wissen ja, wie das ist mit so einem streng organisierten Praxisablauf …«, setze ich nach. Frau Rühlemann nickt, klar weiß sie das. Und während sie ausführlich von drakonischen Strafmaßnahmen bei ihren eigenen unpünktlichen Patienten berichtet, bewegen wir uns wenigstens schon mal Richtung Flur.
Ich spreche eine Schwester an, die die Patientin in die Radiologie bringt, und höre Frau Rühlemann immer weiter- und weiterreden. Solange sie das von der morgigen OP ablenkt, ist es ja prima. Nur mir brummt kurz der Schädel.
Keine Müdigkeit vorschützen, Lena, weiter geht’s. Ich statte Frau Perkins einen kurzen Besuch ab. Sie erzählt mir stolz, dass ihr Mann mit der Kleinen bereits heute Morgen den ersten Balkon-Spaziergang unternommen hat, am Nachmittag wieder mit seiner Tochter an die frische Luft geht und quasi ganz allein Surayas Gelbsucht geheilt hat. Tatsächlich
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