Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
»Und heute ist er hier und kann schon trinken!«
Im Gegensatz zu Frau Frisch ist meine zweite Patientin in miserabler Stimmung. »Er wird mir gefallen, haben Sie gesagt«, nörgelt Frau Rühlemann. »Aber ich kann Ihnen sagen: SIE gefällt mir absolut nicht!«
Na klar – in der Aufregung um Pünktchens Geburt habe ich gestern schlicht vergessen, wegen des passenden Physiotherapeuten zu fragen. Und natürlich hat man Frau Rühlemann eine robuste, routinierte Mittvierzigerin geschickt, die weiß, was sie tut, und überhaupt nicht einsieht, warum sie sich von einer Patientin erst mal begutachten lassen soll, bevor sie zur Tat schreiten darf. Ich will mir nicht ausmalen, für wen dieses Kennenlernen unangenehmer war … aber nach Frau Rühlemanns Laune zu urteilen, tippe ich auf die Therapeutin. Und wenn ich Frau Rühlemanns wortreiche Erläuterung richtig deute, hat sie der »Kollegin« brühwarm mitgeteilt, dass sie vom Fach ist und eine Kollegin, die sich nicht an ihre ureigenen Vorstellungen hält, von vornherein ablehnt. Wenn die Therapeutin ein ähnliches Kaliber ist, steht uns wohl ein Eklat ins Haus. Wahrscheinlich sollte ichdie Dame aufsuchen und für meine Patientin gut Wetter machen. Oder umgekehrt?
Vor der Visite schaffe ich es nicht mehr, mich um Frau Rühlemanns Wünsche zu kümmern – und so ist die »unpassende« Therapeutin gleich das Erste, was in der Visite zur Sprache kommt. Frau Rühlemann setzt auch der Stationsärztin entschieden auseinander, warum sie sich nicht von jedem rehabilitieren lassen kann. Und – na klar! –, dass ich ihr versprochen habe, dass sie die Wahl hat. Dass ich das nicht ganz so formuliert habe, kann ich in der Visite nicht vorbringen; es würde ja wohl noch unprofessioneller wirken, hier vor allen mit der Patientin zu streiten …
Ich konzentriere mich auf die Auswertung der erhobenen Befunde, Dr. Seidler erklärt, dass sie bereits Kontakt zu der Klinik hergestellt hat, in der Frau Rühlemann sich der notwendigen Bestrahlung unterziehen soll – doch die Patientin ist nur halb bei der Sache. »Schön«, sagt sie vorwurfsvoll, »dann will ich Ihrer Empfehlung mal trauen. Aber bei der Therapeutin, das muss ich noch mal sagen, hatten Sie keine glückliche Hand.«
Dr. Seidler sieht mich an. Was bleibt mir? Ich entschuldige mich. Bei Frau Rühlemann und Dr. Seidler. Wenn schon, denn schon.
Kaum haben wir das Zimmer verlassen, rutschen meiner Stationsärztin die Augenbrauen bis in den Pony hinauf. »Was haben Sie denn jetzt schon wieder angerichtet?!«
Ja, super, Lena! Weil du immer allen gefallen willst. Ein einziges »Sie nehmen, wen Sie kriegen oder Sie entlassen sich selbst und sehen zu, wie Sie zurechtkommen« hätte genügt. Aber nö, du machst wieder Versprechungen, die alles durcheinanderbringen.
Ich versuche, Dr. Seidler zu erklären, warum ich mich zu dieser etwas unüblichen Zusage verleiten ließ, und erwarte eine Standpauke. (Demnächst kochst du der Frau auch noch höchstpersönlich ihre ernährungspsychologisch korrekte Kost. Mit der tropfbehängten Patientin im Nacken, die du auf den Küchentresen setzt, damit sie dir Anweisungen gibt … Obwohl, DAS könnte ich vielleicht sogar einrichten. Mit MEINEN Beziehungen zurKüche?! Warum hab ich nicht lieber so was versprochen?) Dr. Seidler aber ist nicht nach Standpauke zumute. Vielleicht kann sie für so was einfach keine Zeit erübrigen. Aber genauso gut ist es möglich, dass die Falle, in die ich mich manövriert habe, sie ein bisschen amüsiert. »Tja dann sehen Sie mal zu, wie Sie das wieder hinkriegen«, ist alles, was ich zu hören kriege. »Ich sag’s mal so«, setzt sie nach, »mit den Physiotherapeuten ist noch schlechter Kirschen essen als mit dem Pflegepersonal.« Und dabei grinst sie tatsächlich. Hmpf.
Die Mittagspause muss ich mir also mal wieder versagen. Ich erkundige mich bei Schwester Kathi nach Frau Rühlemanns Therapeutin und bekomme einen ersten Vorgeschmack auf die Entrüstung, die mir gleich von der Kollegin droht – denn Kathi stützt die Hände in die Hüften und knurrt: »ICH würde solche Patienten ja einfach rausschmeißen! Aber das Pflegepersonal ist ja immer der letzte Dreck!« Zwar teile ich diese Meinung ganz und gar nicht, kann damit aber im Moment nicht punkten.
Die Therapeutin heißt Olga Marcheskowa und ist gerade in der Pause. Also komme ich doch noch zu einem Abstecher in die Cafeteria – allerdings darf ich weder Rubens freundlicher Einladung an den
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