Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Geburtshilfe-Aufnahme assistieren. Ich nehme die Personalien dreier werdender Mütter auf und helfe bei der Erstuntersuchung. Wir überprüfen den Gesundheitszustand von Mutter und Kind, messen Blutdruck, Puls und Temperatur, stellen per Ultraschall fest, in welcher Position sich das Kind befindet und kontrollieren die Wehentätigkeit und den kindlichen Herzschlag. Bei der dritten Schwangeren lässt Luis mich alles allein erledigen. Ich stelle fest, dass ich auch im dritten Tertial noch beschämt und stolz rot werde, wenn die Patienten mich mit »Frau Doktor« ansprechen. Dabei ist es doch gar nicht mehr so lange hin, bis ich nicht mehr klarstellen muss, dass ich »nur PJlerin« bin. (Ich kann den Tag kaum erwarten, an dem ich meinem wahrscheinlich automatischen »Nein, ich bin nur PJlerin« ein perplexes »Quatsch, ich bin doch die Frau Doktor! Wenn Sie so nett wären, mich zur Gewöhnung noch drei- bis achtzehnmal mit diesem Titel anzusprechen!« hinterherschieben werde.)
Meine Entbindungsaufnahme beschert mir wieder ein paar neue Erfahrungen für meinen geheimen Väter-Katalog. Denn alle drei Damen haben männliche Begleitung, die Herren abersind in höchst unterschiedlicher Verfassung und liefern eine hübsche Bandbreite an Väterverhalten.
Der Erste ist vom Typ Perkins, diese Art kenne ich schon. Er ist kurz vorm Durchdrehen und würde sicher auch in Perkins-Lautstärke herumschreien, wenn er noch etwas mehr als den überlebensnotwendigen Atem übrig hätte. Es nutzt auch nicht viel, ihm mit sanftester Ärztinnenstimme zu versichern, dass mit Frau und Kind alles in bester Ordnung ist, denn auch zum Zuhören ist er zu zappelig. Ich überlege schon, ob es nicht besser wäre, ihn sensibel von der Untersuchung auszuschließen, bevor er seine Frau mit seiner Nervosität anstecken kann. Doch dann schreitet Luis Berger ein; er nimmt wirklich und wahrhaftig die Hände des Mannes in die seinen und behandelt den Vater, als sei er es, der gleich bei der Geburt den schwierigsten Part übernehmen müsste. Nach Luis’ sanfter Ermutigung hört der Mann endlich auf zu zittern und verspricht, jetzt die nötige Nervenstärke aufzubringen, um seine Familie durch diese schwerste aller Herausforderungen zu lotsen. Ich weiß nicht, wie Luis das anstellt – aber feststeht: Seine Besänftigungsgabe ist ein unschätzbar wertvolles Talent.
Der zweite Vater hat vielleicht noch mehr Angst, aber eine andere Art, damit umzugehen. Er begleitet seine Freundin zwar in den Untersuchungsraum – wahrscheinlich nur, weil sie ihn darum gebeten hat – will aber offensichtlich möglichst nichts von den Vorgängen wissen, die hier gerade ablaufen. Geschweige denn von denen, die Freundin und Kind unmittelbar bevorstehen. Er vermeidet tunlichst den Blick auf uns, auf die Untersuchung oder die Monitore; er hält zwar die Hand seiner Freundin, sieht dabei aber angestrengt zur Wand. Erst ärgere ich mich darüber. Seine Freundin hat schließlich keine Chance, irgendwas zu ignorieren! (Und überhaupt – wie will er es fertigbringen, sein Kind zu wickeln oder nur die Nabelschnur durchzuschneiden, wenn er nicht mal auf den Ultraschall sehen kann? Absolviert er die Säuglingspflege mit verbundenen Augen oder überlässt er das dann alles der Mutter?!) Aber als die beiden denUntersuchungsraum verlassen haben, erzählt Luis mit einem verlegenen Grinsen, es käme nicht allzu selten vor, dass den Vätern nicht erst im Kreißsaal, sondern schon bei der Aufnahmeuntersuchung entsetzlich schlecht wird. Seinen sensiblen Andeutungen entnehme ich, dass er nicht nur hundertmal erlebt hat, wie ein Neuvater bei der Geburt in Ohnmacht fällt, sondern auch schon mindestens fünfmal damit umgehen musste, dass sich begleitende Männer schon vorher vor Entsetzen übergeben haben. Wenn das die Alternative ist, ist es mir doch lieber, der Nicht-Magenfeste vermeidet den Blick auf die Instrumente.
Der dritte Vater-Typ fehlt noch in meiner Sammlung. Er hat sich belesen und glaubt, er wisse besser über die anstehende Geburt Bescheid als die Mutter, wir oder alle anderen unmittelbar Beteiligten. Er will alles genau sehen und kommentiert jeden Untersuchungsschritt. Ganz nebenbei erwähnt er auch, dass er bereits zweifacher Vater ist (allerdings mit anderen Frauen) und deshalb in seiner neuen Beziehung mit einer Erstmutter der Auskenner in Sachen Geburt sei. Er provoziert meinen Widerspruch mit allerlei unnützen Bemerkungen. Als er besorgt erklärt, die Herzfrequenz seines
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