Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
gestört? Oder mich? NEIN! Im Gegenteil, ich fand es schweinegemütlich. Das ist doch nicht normal!«
Wir können sagen, was wir wollen; unsere Genauso-sollte-eine-Beziehung-sein-Fürsprache prallt an Jenny ab. Schließlich lässt sie die Spraydose sinken. Mit ihrem halb zugekämmten Gesicht und dem darunter hervorblitzenden Zyklopenauge sieht sie plötzlich richtig mitleiderregend aus. »Ich verstehe nicht, warum ich das gut finde«, sagt sie leise. »Ich wollte mich doch nie so an einen Typen gewöhnen!«
Jenny tut mir leid, ich kann ihre Verwirrung irgendwie verstehen. Sie ist vielleicht wirklich nicht der Typ, der sich so schnell an eine so enge Beziehung gewöhnt. Andererseits: Felix ist doch nicht ihr erster Langzeit-fester Freund?! Hat sie sich Tom gegenüber immer nur mit voller Bemalung gezeigt? »Ach, Tom«, Jenny wirft Isa einen entschuldigenden Seitenblick zu, »da war mir das vollkommen egal …«
Jenny ist überfordert. Das ist auf einmal ganz klar. Und überraschend rührend. Die Nähe in ihrer neuen Beziehung ist ihr nicht richtig geheuer, so was kennt sie nicht. Aber warum begreift sie nicht, dass sie glücklich darüber sein sollte?!
Als wir unsere arme Zyklopenfreundin schließlich in die S-Bahn bugsieren, erkundige ich mich endlich bei Isa, wie ihre Stationsarzt-Aussprachen-Beichte bei Tom angekommen ist. Und wir erfahren, dass an der Fernbeziehungsfront tatsächlich momentan nicht an Luftballonzauberer und Ponys zu denken ist. Denn Isa hat Tom nichts davon erzählt.
»Er war so beschäftigt mit unserer Reise«, erklärt sie. Tom hat wohl schon überall angekündigt, dass er Isa auf seine Inspektionstour mitnehmen möchte. Und dabei muss er seinen Vorgesetzten gegenüber besonders betont haben, wie sehr sie in ihrer Klinik geschätzt wird. »Er war ganz stolz darauf, dass die sich alle so auf mich freuen«, jammert Isa. »Hätte ich da sagen sollen: ›Moment mal, Liebling, ich bin gerade miserabel und meine Kollegen hassen mich‹?« Nee, klar, das leuchtet uns ein.
Leider war Isa trotzdem so unzufrieden mit dem Gespräch, dass das Telefonat – sie weiß gar nicht mehr, wie – im Streit geendet hat. Klar, das Versöhnungstelefonat folgte keine zwei Minuten später. Aber Isa macht sich Vorwürfe; immerhin hat sie mit ihrer übertriebenen Vorsicht den ersten Fernbeziehungskrach heraufbeschworen. Und sich im Zweitgespräch dann auch nur mit Müdigkeit entschuldigt, statt endlich die wahren Gründe für ihre gedrückte Stimmung auszubreiten.
Meine Mädels seufzen um die Wette. Und ich denke ganz kurz, dass ich sie gerade zum ersten Mal beide nicht beneide.
Im Gegensatz zu Isa und Jenny sind meine zwei Patientinnen heute höchst zufrieden mit »ihren Männern«. Frau Rühlemann erklärt Randy zu einem vielversprechenden Kollegen mit äußerst angenehmer Lernbereitschaft und betont mit einem Zwinkern, wie viel lieber sie sich in Randys Hände begibt als in Olgas. Und Frau Frisch strahlt über das ganze Gesicht, als sie mir von den Fortschritten ihres Babys berichtet. Bei Pünktchen wurde heute Morgen die Neugeborenen-Basisuntersuchung U2 durchgeführt. Die Herzfrequenz ist immer noch zu niedrig, auf einen Herzfehler deutet jedoch nichts hin. Pünktchens Blutwerte sind in Ordnung. Er wird den Brutkasten noch eine Weile brauchen, benötigt weiterhin Hilfe beim Atmen und Trinken, aber sie darf ihn heute eine halbe Stunde bei sich haben.
Frau Frisch ist sogar wohlauf genug, um die Namensfrage anzugehen. Das wird auch höchste Zeit; Dr. Seidler hat mich schon zweimal daran erinnert, dass dieser wesentliche Beitrag immer noch in Frau Frischs Papieren fehlt.
Leider hat die Patientin keine tragfähige Idee. Nichts, was ihr einfällt, ist gut genug für ihr kleines Wunder. »Ich möchte etwas Einzigartiges«, sagt sie und lächelt scheu. »Haben Sie vielleicht eine Idee? Was ist der schönste Name, den Sie kennen?«
Hmpf. Spontan völlige Hirnleere. Habe ich schon erwähnt, dass von einfühlsamen Fast-Ärzten heutzutage eindeutig mehr verlangt wird, als dass sie alle Muskeln auswendig hersagen können? Zumindest von den einfühlsamen Fast-Ärzten, die sichneben der Muskel-Auskennerei auch noch dafür zuständig fühlen, dass ein unter ihrem Schutz geborenes Baby den schönsten und passendsten aller Namen bekommt. Aber, hey, auch bei den Muskelgruppen hilft es, zu wissen, wo man sie nachlesen kann. Für Vornamen gilt das genauso.
Luis Berger besitzt ein Vornamenbuch. Er überreicht es mir mit
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