Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
seltsamen Gefühl, das ich heute bei der Chefarztvisite hatte. Um den Erinnerungsflash und das Gefühlstosen zu erklären, muss ich natürlich ein wenig ausholen und Alex nun doch von einem gewissen Ballabend vor ein paar Monaten erzählen. Nicht mal das macht mir was aus.
»Wäre schön, wenn du deinen Chef verantwortlich machen könntest, oder?«, fragt Alex. Hält er mich für albern, dramatisch, naiv? Nein, er meint es ganz ernst. »Aber er hat sich richtig verhalten«, fährt er fort. »Bestimmt haben alle alles richtig gemacht … du, er, euer Chef …« Es stimmt. Es gab doch keinen Ausweg, keine echte Chance auf eine Beziehung. Und dabei haben wir so verzweifelt darum gekämpft.
Alex sieht mich nachdenklich an. »Als dein Freund wünsche ich mir, dass sich deine Hoffnungen noch irgendwann erfüllen. Aber mein Rat an dich als Freund wäre: Vergiss ihn.«
Danke. Was soll ich dazu sagen?!
Alex legt den Arm um mich. »Ich entscheide mich für: ›Lassuns das einfach nicht heute Abend entscheiden‹.« Und bevor ich über meinen wunderbaren neuen Freund gerührt sein kann, greift er um mich herum nach seiner leeren Bierflasche und klebt sie hinter mir an die Wand. Verblüfft bestaune ich die schwebende Flasche in der Zimmerecke. Alex spannt meine Neugier nicht lange auf die Folter, teilt großzügig das Geheimnis mit mir und ich habe den ersten Kneipentrick meines Lebens gelernt.
Ein Mädchen setzt sich zu uns, angelockt von der schwebenden Flasche, und will ebenfalls wissen, wie der Trick funktioniert. Und – haha – Alex zuckt bedauernd die Schultern. »Tut mir leid«, sagt er freundlich, »den hab ich gerade schon an Lena verschenkt.«
Ich bin ziemlich zufrieden, dass jetzt nicht die ganze Bar meinen ersten und einzigen Trick nachmachen kann. Das Mädchen bleibt trotzdem bei uns sitzen. Sie ist sehr hübsch und um das hervorzuheben, fährt sie sich während des Gesprächs immer wie zufällig durch ihre langen Haare.
»Seid ihr ein Paar?«, fragt sie mich direkt. Na klar, Alex gefällt ihr. Aber nett, dass sie fragt.
Alex sieht mich an, irgendwie herausfordernd. Ich käme mir blöd vor, mir jetzt quasi auf seine Kosten ein Paar-Alibi zu schnappen – nachdem ich vorhin noch schonungslos klargemacht habe, dass er bei uns keine Paar-Entwicklung erwarten darf.
»Nein«, lächle ich sie an, »wir sind kein Paar.«
Sie nickt zufrieden und fragt Alex, ob er mit ihr ein Kickerteam bilden möchte. Im selben Moment rutscht der Typ, der bisher gegenüber saß, zu mir auf die Couch.
Hat er auch nur auf die Paar-Information gewartet? Oder nutzt er einfach die Gelegenheit, dass – wenn Alex und das schöne Mädchen jetzt kickern gehen – ein weibliches Wesen allein sitzen bleiben könnte?
Alex sieht mich an und grinst.
»Geh doch«, sage ich. Was grinst er denn so?!
Alex lacht, steht auf und führt die Schöne zum Fußballtisch, um ein paar Jungs herauszufordern. Der nachgerutschte jungeMann legt mir die Hand auf den Arm. Er beginnt mit der Frage nach meinem Studium, bietet aber gleich ein paar Möglichkeiten an. »Lehramt? Nein, sicher machst du was Ausgefallenes. Kunst?« Ich verneine beides und kann zwischen die folgenden Vorschläge »Sport? Geschichte? BWL?« meine Medizin platzieren.
»Aha«, lächelt er. »Das ist hochinteressant, weil …« Ich bin gespannt … »ICH bin nämlich Orthopäde.« Ich muss es zugeben: Darauf wäre ich echt nicht gekommen.
Ralf, der Orthopäde, findet es prima, dass er, der schon sicher auf der medizinischen Laufbahn Schlittschuh fährt, mir ein bisschen erzählen kann, was einen denn so erwartet. In der Praxis. Den Unterschied zwischen meinem und seinem Fach scheint er für nicht so wesentlich zu halten.
Er redet und redet und ich habe das unangenehme Gefühl, dass er auch noch denkt, er tue mir einen Gefallen, indem er all seine Geschichten vor mir ausbreitet. Denn zwischendrin macht er Pausen, die er mit »Stimmt’s?« oder »Ist bei dir sicher auch so?« einleitet und in denen es zwar reicht, wenn ich bejahe, die aber nicht enden, solange ich NICHT wenigstens »Ja ja« sage. Nach jedem meiner teilnahmslosen Jas setzt eine neue Geschichte ein. Ich verpasse zweimal den Einsatz, dann wartet er.
(Komm schon! Dir ist egal, was ich einwerfe, mich langweilt, was du erzählst – rede du doch weiter über Fußdeformationen und ich hör im Kopf Musik.)
Leider wird Ralfs Geplauder von reichlichen Gesten begleitet, mit denen er seine Geschichten illustriert. Er
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