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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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bin ganz ruhig.
    »Nein«, sage ich. »Nicht meinetwegen. Du kannst hier nicht weggehen.«
    Bleib hier. Du bist der beste Arzt, den ich kenne. Der einzige, der nur Arzt ist. Der nichts anderes sein will und kann. Der niemals etwas anderes sein kann.
    Nichts wird sich ändern, nie. Der Preis ist zu hoch und du wirst irgendwann aufwachen und erkennen, dass du ihn niemals hättest zahlen dürfen.
    Vielen Dank, dass ich an deiner Seite sein durfte. Dass ich eine Zeit lang träumen durfte, dass man alles haben kann. Und dass ich mich jetzt entscheiden kann.
    Nichts davon sage ich. Nur dass es vorbei ist.
    Dann stehe ich noch einen Moment ganz ruhig an seiner Tür und sehe ihn an, sehe zu, wie er atmet.
    »Wieder gescheitert«, sagt er fast unhörbar. Und sieht so einsam aus.
    Du bist der beste Arzt, den ich kenne. Du darfst nichts anderes sein. Als Arzt bist du nie gescheitert.
    »Versprich mir, dass du eine ausgezeichnete Ärztin wirst«, sagt er.
    Ich kann nicht antworten.
    »Nein, versprich mir nichts«, sagt er leise. »Ich weiß es ohnehin.«
    Ich werde immer kleiner, die Teppichfasern sind ein Wald. Ich muss gehen, bevor ich meinen Weg vollkommen verliere.
    Ich bin ein Niemand, winzig klein.

I ch verlasse das Haus das ganze Wochenende nicht. Tobias ruft an, ich antworte nicht. Ich kann nichts sagen, nicht mit ihm reden. Nur als Tom kommt, um sich zu verabschieden, stehe ich kurz auf. Ich wünsche ihm Glück. »Das wünsche ich dir auch«, sagt er und meint es gut. Die ganze Welt weiß Bescheid.
    Isa bringt Tom zum Auto und bleibt fast eine halbe Stunde fort. Als sie zurückkommt, hat sie geweint. Unten, als sie sich verabschiedet haben, ist es ihr unerträglich vorgekommen. Als könnte sie es keine Sekunde ohne ihn aushalten. Tom war ebenso hilflos, plötzlich haben sie beide geweint. Noch einmal hat er sie gebeten, mitzukommen. Einfach so. Jetzt. Doch Isa hat abgelehnt.
    »Die Entscheidung war richtig«, sagt sie verweint. »Wir haben es doch richtig gemacht?«
    »Ja«, antworte ich. »Ich glaube, wir haben es richtig gemacht.« Und deine Trennung ist eine auf Zeit, meine soll endgültig sein.
    »Wir müssen arbeiten«, sagt Isa entschieden und häuft einen Lehrbuchstapel auf den Tisch. »Das hilft immer.«
    »Du musst ausgehen«, hält Jenny dagegen. Ungebeten hat sie einen Freund eingeladen. Torsten, der mich zum Essen ausführen soll und mich in eine seltsame Pizzeria schleppt, in der er vom Kellner zwischen Vorsuppe und Pizza ein Tütchen Gras kauft. Mitten im Essen gehe ich.
    Jenny ist perplex und behauptet, Kiffertorsten wäre der netteste und umgänglichste all ihrer Bekannten. »Warum triffst DU ihn dann nicht?«, frage ich verdrießlich.
    »Ich will keinen Freund mehr haben«, antwortet Jenny, »nie wieder.« Ich gehe zurück in mein Bett.
    Am Sonntagabend muss ich noch einmal aufstehen und zum Spätshop gehen. Wir haben kein Brot mehr. Seit wann haben wir die einfachsten Dinge nicht mehr im Griff?
    Als ich im Spätshop eilig nach dem labbrigen Toastbrot greife, sagt jemand meinen Namen. Funkelnde Augen, Wuschelhaare. Manuel, mein erster Patient, mein erster Freund in Berlin.
    In jeder anderen Lebenslage wäre mir furchtbar peinlich, wie ich aussehe. Es ist Frauenschicksal, dass man den Verflossenen immer ausgerechnet an dem Tag trifft, an dem man ungeschminkt im Faulenzerpullover zum Spätshop trottet – und auch wenn so etwas nur einmal im Jahr vorkommen sollte, trifft man ihn garantiert genau dann. Mir ist das heute egal, sonderbar.
    »Wie geht’s dir?«, fragt Manuel und hat schon zwei Bier in der Hand.
    Eine halbe Stunde sitzen wir vor dem Spätshop, trinken Bier und ich erzähle die ganze Geschichte. Weil mir alles vollkommen egal ist.
    »Gut, dass du dich getrennt hast«, sagt Manuel. »So was macht einen doch kaputt.« Was weiß er davon?
    »Das ist nichts für dich«, sagt er, »Ärzte.« Doch, es war etwas für mich. War alles.
    »Du siehst super aus«, sagt Manuel zu meinem Sonntagsschlabberpulli. Und dann schlägt er mir zwischen zwei Bierschlucken einen Neuanfang vor. Zumindest, wenn ich mich nicht verhört habe. Er lächelt. Wahrscheinlich habe ich mich nicht verhört. Läuft das so? Dass man plötzlich jeden haben kann, selbst im Schlabberpulli vor dem Spätshop, wenn das Herz unglücklich vergeben ist?
    Ich umarme Manuel zum Abschied. Aber dass ich ihn anrufen werde, glaube ich nicht.
    »So ist das also«, sagt Jenny seufzend, als ich ihr von meiner Begegnung erzähle. »Die

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