Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
Vom Netzwerk:
mich gerade gar nichts aufbauen kann. Er überlegt. »Gehen Sie gerne tanzen? Wenn ja, könnten Sie in irgendeinen Club fahren und sich einfach alles von der Seele tanzen. Wenn nicht, machen Sie doch einen Kurs. Tanzen macht eigentlich jeder Frau Spaß!« Ich lasse ihn reden … und erst als er sagt »Arbeit lenkt mich immer ab,vielleicht sollten Sie an Ihrer Promotion arbeiten, ich kann Ihnen ein paar Bücher empfehlen«, wird es mir bewusst: Er macht Pläne, er hat ein neues Projekt, seine Energie ist wieder da. Der Professor ist endlich wieder aufgewacht. Meine deprimierte Unlust, meine sprachlose Traurigkeit hat ihn geweckt. Zu planen, wie ich wieder lebensfroh werde, ist seine neue Aufgabe. Ich kann ihn entlassen, er kann ein neues Leben anfangen. Und ich vielleicht auch.
    Ich gehe über den Flur, das Licht hat sich geändert. Schwester Jana stellt einen Weihnachtsstrauch auf ihren Tresen. »Ist alles okay?«, fragt sie und zum ersten Mal bin ich wieder gewillt, ihre Besorgnis als ehrlich zu deuten.
    »Es tut mir leid, Mäuschen«, sagt sie, als ich bei ihr stehen bleibe, »ich wollte dir doch nicht schaden!« Hat sie aber. Oder doch nicht? »Es ist doch auch alles gut ausgegangen«, verteidigt sie sich, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Aber nicht deinetwegen!«, entgegne ich. Und was ist mit Jenny?
    »Ich hab es gut gemeint«, sagt Jana ruhig. »Ich bin nun mal für euch alle zuständig.« Das ist sie nicht.
    »Wir sind erwachsen, Jana«, widerspreche ich. »Wir sind fast Ärzte!«
    »Ach?«, sie schiebt missbilligend den Weihnachtsstrauß zurecht. »Warum benehmt ihr euch dann nicht so?!«
    Ich werde es nicht zugeben, aber sie hat ein ganz kleines bisschen recht. Ich beschließe, dass all meine Sorgen, der bescheuerte Liebeskummer, die Unsicherheit hier nichts zu suchen haben. Ich bin hier, um Ärztin zu werden. Nur darauf kommt es an. Was immer mich draußen niederdrückt und zweifeln lässt; hier hat es nichts zu suchen. Hier gehört eine erwachsene Fast-Ärztin hin, die weiß, was sie tut und sich nicht beirren lässt. Vor langer Zeit hat mir ein Oberarzt geraten, niemals die Ärztinnen-Lena von der Privat-Lena beeindrucken zu lassen. Danach werde ich mich jetzt richten. Endlich.
    Noch ein Tag bis zur Weihnachtspause. Isa und ich haben heute Morgen bereits unsere Taschen mit in die Klinik geschleppt, manmuss die freien Tage doch maximal ausnutzen. Nur noch diesen Arbeitstag überstehen.
    Ich verabschiede meinen Professor in die Reha. Seit unserem Gespräch hat sich sein Zustand ständig gebessert. Als ich ihm Glück wünsche, hört er kaum zu, so beschäftigt ist er schon wieder mit meiner Zukunft. »Lassen Sie nur bald von sich hören, Lena«, sagt er und drückt meine Hand. »Ich verlass mich drauf!« Und ich erwidere den Händedruck und verspreche es.
    Dr. Gode hat uns Kekse gekauft und als Dr. Thiersch zur Zwischenstandsbesprechung in den Arztraum lädt, lässt sie sich sogar dazu herab, selbst einen ganzen Keks zu essen. Natürlich erwähnt sie gleich darauf, dass sie im neuen Jahr viel mehr von uns erwartet – aber das neue Jahr wirkt so weit weg, dass wir alle bereitwillig dazu nicken.
    Die Reihum-Weihnachtsverabschiedung tut richtig gut. Mir war gar nicht klar, dass ich mich so darauf gefreut habe, eine Woche keine Klinik, keine Kollegen zu sehen.
    Ich verabschiede mich von Ruben, der mir einen entzückenden Weihnachtsengel aus Plüsch schenkt. »Seit drei Tagen warst du nicht hier«, sagt er vorwurfsvoll. »Ich denke mir, warum. Aber da noch jemand anders nicht mehr hier aufkreuzt, hoffe ich, dass du im nächsten Jahr dein Revier verteidigst und mich nicht mehr so schmählich im Stich lässt.« Ja, ich gebe es zu, ich habe mich drei Tage vor der Cafeteria und der befürchteten Thalheimbegegnung gedrückt. Auch heute bin ich erst zum Feierabend hier aufgeschlagen. Ruben lacht. »Was habe ich denn davon, wieder der einzige Mann in deinem Leben zu sein, wenn du dich nicht mehr bei mir sehen lässt?!« Und dann ist er so lieb, mein einfallsloses Weihnachtsgeschenk zu bewundern, als hätte er noch nie im Leben einen schöneren Trickfilmtier-Küchenkalender gesehen.
    Nur eine Begegnung steht noch aus, bevor ich in die Ferien fahren kann. Ich gehe langsam über den Flur. Ich KANN nicht einfach so abfahren. Aber was soll ich sagen? Lieber doch vorbeigehen? Wenn ich seine Tür erreiche, bevor jemand aus demAufzug kommt, gehe ich hinein. Das ist nur fair, alle wollen nach Hause, sicher steht der

Weitere Kostenlose Bücher