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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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die Autotür. Ich kann es nicht. Ich gebe ihm den Schlüssel, sage, dass ich heute nicht mitkommen kann. Er versteht nicht, fragt aber nicht. »Vielleicht morgen«, sage ich fad.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragt er und sieht jetzt doch besorgt aus. Ich antworte nicht, nicke nur, verabschiede mich. Er steigt ein, sein Auto biegt vom Parkplatz, verschwindet in der Dunkelheit.
    Schmerzhaft überfällt mich die Sehnsucht, sobald ich ihn nicht mehr sehen kann. Ich will bei ihm sein. Nichts hat sich geändert.

D ie Stimmung in der WG ist gedrückt. Toms erstes Bewerbungsgespräch ist erfolglos verlaufen, Isa macht sich Sorgen und sitzt schon wieder vor einem Zeitungsberg. »Willst du wirklich einen Freund, der mit einer Schürze durch den Kinderladen turnt und Bauklötze und Windeln einsammelt?«, fragt Jenny skeptisch, als sie Isas Ankreuzungen überfliegt. »Und das für ein Taschengeld?«
    »Warum nicht?«, entgegnet Isa. »Außerdem ist mir egal, was er verdient. Hauptsache, er bleibt hier.«
    »Na, dann beten wir mal, dass er das genauso sieht«, raunt Jenny. Doch Isa hat sich schon in die nächste Annoncenseite vergraben. Sie schließt sich auch nicht an, als ich mich von Jenny zum Weihnachtsgeschenk-Einkauf mitziehen lasse.
    Ich kaufe wahllos und ohne Spaß Bücher und Kalender ein, vollkommen uninspiriert. Jenny bekommt schlechte Laune. Und als ich erschöpft wieder neben Isa an den Küchentisch sinke, rauscht Jenny ins Bad, kehrt zehn Minuten später absurd aufgestylt zurück und lässt sich von Felix abholen. »Ich verdrück mich, ihr munteren Vögel!«, schnaubt sie in unsere Richtung, dann ist sie verschwunden. Isa sieht auf. »Du musst mit ihm reden«, sagt sie leise. »Nichts anderes hilft.«
    Es ist schon fast zehn, als ich an Tobias’ Tür klingle. Ich bin entschlossen, alles zu sagen. Dass ich in seinem Schreibtisch herumgewühlt habe. Dass es okay ist, verheiratet gewesen zu sein, und ich nicht erwartet habe, dass er ein Mann ohne Vergangenheitist. Aber dass ich es nicht ertrage, wenn er einfach nichts mit mir teilen kann.
    Es zieht mir schmerzhaft das Herz zusammen, dass Tobias sich so freut, mich zu sehen. Er bittet mich herein, bietet mir Kaffee an, klappt seine Arbeitsmappe zu. Ich bleibe stehen. Tief durchatmen. Und dann los. Ich sage alles, was ich mir vorgenommen habe, und sehe dabei aus dem Fenster, als würde ich meinen Text nur noch einmal zur Probe wiederholen. Ich bringe es einfach nicht fertig, herüberzuschauen und sein Gesicht zu sehen.
    Als ich fertig bin, schweigt er, lange. Er sagt nichts dazu, dass ich seine Fotos angesehen habe. Er sagt überhaupt nichts. Und jetzt? Soll ich gehen?
    Es dauert eine Ewigkeit, bis er mich ansieht. Seine Stimme ist leise, aber beherrscht. »Lena, ich hab dich gern«, sagt er. »Ich bin gern mit dir zusammen, es tut mir gut, wenn du da bist. Aber ich bin kein Mensch, der sein ganzes Leben teilt.«
    SEIN GANZES LEBEN?! SEIN GANZES LEBEN?! Ich mache auf dem Absatz kehrt und verlasse die Wohnung.
    Die Straße ist leer, der Schnee grau. Ich gehe langsam und wünsche mir, ich könnte mich auflösen.
    Jenny ist noch wach, als ich zurückkomme. Sie nimmt mich in den Arm, sagt nichts. Doch sie bringt mich ins Bett und sitzt neben mir, bis ich endlich zu heulen aufhören kann.

I ch hasse Abschiede. Am nächsten Tag wird Paula Schwab in die Reha verlegt. Jenny verbringt den ganzen Tag bei ihr. Wir alle stehen auf dem Flur Spalier, als sie im Rollstuhl zum Aufzug gefahren wird. Sie lacht und sagt: »Auf dass ich Sie alle nie wiedersehe.« Und obwohl ich ihr auch nichts sehnlicher wünsche, merke ich schon am Nachmittag, dass sie mir fehlt.
    Ich schleiche mich in Professor Dehmels Zimmer. Hier ist Ruhe, Besinnung. Er schläft, als ich hereinkomme und ich bleibe einfach an seinem Bett sitzen.
    »Sind Sie traurig, Lena?«, fragt plötzlich eine schwache Stimme. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er aufgewacht ist. Doch ich nicke, was soll ich ihm vormachen. »Sie dürfen nicht so traurig sein«, sagt er leise, »Sie sind jung, Sie haben Freunde, einen Beruf, der Sie erfüllt, bald ist Weihnachten. Reicht es nicht, wenn sinnlose alte Männer traurig sind?«
    Wir sehen uns an, ich weiß nichts zu sagen. »Es tut mir leid«, entgegne ich schließlich einfach nur. Und plötzlich lächelt er. »Sie könnten einen Spaziergang machen. Ein riesiges Eis essen. Einen albernen Film ansehen.« Ich zucke mit den Achseln, das ist alles lieb gemeint, aber ich habe das Gefühl, dass

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