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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEB MARLOWE
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nein“, mischte Jack sich ein, ehe Lily etwas sagen konnte. „Die junge Dame ist zum ersten Mal hier und hat bisher so gut wie nichts von der Gartenanlage gesehen. Ich werde sie ein wenig herumführen. Und Sie, mein lieber Keller, stoßen wieder zu uns, sobald Sie diese Sache in Ordnung gebracht haben.“
    Lily machte einen etwas verunsicherten Eindruck. „Vielleicht sollte ich auch zum Haus zurückkehren. Meine Freundinnen …“
    „… haben sich ebenfalls nach draußen begeben“, unterbrach Jack sie.
    Keller hatte sich bereits mit großen Schritten auf den Rückweg gemacht.
    „Haben Sie sich das alte Tor schon angeschaut, Miss Beecham? Die Legende besagt, es sei ein Glücksbringer.“
    „Tatsächlich? Dann sollten Sie sich wohl dorthin begeben, ehe Mr. Keller klar wird, dass Sie ihn belogen haben.“
    Jack begann zu lachen, obwohl er nicht sicher war, ob Lily entrüstet oder eher amüsiert geklungen hatte. „Bin ich ein so schlechter Lügner?“
    „Nun, Keller scheint auf Ihre Geschichte hereingefallen zu sein. Aber ich habe Sie sofort durchschaut.“
    „Oh, kennen Sie mich so gut? Vermutlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen, weil Sie sich offenbar eingehend mit mir und meinem Charakter beschäftigt haben.“
    Jetzt sah Lily eindeutig entrüstet drein.
    Rasch fuhr Jack fort: „Darf ich Ihnen zu Ihrer guten Menschenkenntnis gratulieren?“ Lächelnd reichte er ihr den Arm.
    „Was genau wissen Sie über dieses Glück bringende Tor?“
    „Die Legende besagt, dass man auf die Stufe direkt vor dem Tor treten muss. Wenn man sich dann auf seine Sorgen und Ängste konzentriert und gleichzeitig im Stillen bis drei zählt, werden die wundertätige Kräfte freigesetzt, sobald man das Tor öffnet.“
    „Und dann?“
    „Nun, Sie schreiten durch das Tor, und Ihre Schwierigkeiten lösen sich in Luft auf.“
    „Ich wünschte, es wäre so einfach …“ Sie sah ein wenig bekümmert drein, doch dann hellte ihre Miene sich wieder auf. „Ich werde an meine alte Kinderfrau schreiben, um ihr von diesem Tor zu berichten. Sie liebt solche Geschichten und glaubt fest daran, dass sie wahr sind.“
    Die Sonne stand jetzt so tief, dass einzelne Strahlen schräg durch das Geäst der Bäume fielen und Muster auf die Krüge und Statuen malte. Vor einer an einigen Stellen beschädigten Frauenfigur blieb Lily stehen, um deren ernstes Gesicht aufmerksam zu studieren. Jack hingegen konnte keinen Blick von Lilys rot-goldenem Haar wenden, in dem kleine Flammen zu tanzen schienen.
    „Ich hätte mich gern schon früher frei gemacht, um Ihnen den Garten zu zeigen“, sagte er. „Mir war aufgefallen, dass Sie ein bisschen blass aussahen. Deshalb dachte ich, ein kleiner Spaziergang mit einem verständnisvollen Freund würde Ihnen guttun.“
    „Ach?“
    Das hörte sich eindeutig ironisch an. Aber, bei Jupiter, sogar ihre Ironie gefiel ihm. „Miss Beecham“, sagte er, „was ist los mit Ihnen? Sie sind heute eindeutig nicht Sie selbst! Ich dachte, Sie würden mir zumindest klarmachen, dass ich kein verständnisvoller Freund bin. Wahrscheinlich hätten Sie auch noch deutlichere Worte finden können. Doch stattdessen begnügen Sie sich mit einem kleinen Ach. Ich hoffe, der Grund dafür ist nicht, dass Sie die letzten Stunden langweilig und unangenehm fanden.“
    Sie wandte sich ihm zu. Und wieder konnte er nicht umhin, ihre anmutigen Bewegungen und ihr reizendes Aussehen zu bewundern. Das elfenbeinfarbene Kleid mit dem türkisfarbenen Muster stand ihr hervorragend. Niemand, der sie so sah, würde glauben, dass sie noch vor kurzem in einem unförmigen braunen Sack herumgelaufen war.
    „Es war ein wunderschöner interessanter Tag“, erklärte sie. „Gleich nach unserer Ankunft habe ich vor dem Haus eine Pfauenfeder gefunden. Da war mir klar, dass die nächsten Stunden nur Gutes bringen würden.“
    Er hob die Augenbrauen und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie fuhr unbeirrt fort: „Sie haben allerdings recht damit, dass ich mich heute nicht wie Lily Beecham verhalten habe.“
    „Ah, Sie haben Theater gespielt! In wessen Rolle sind Sie denn geschlüpft?“
    „Wissen Sie das wirklich nicht? Ich hätte gedacht, es sei unverkennbar.“
    Sie bogen in den Weg ein, der zum Tor führte. Nach ein paar Schritten blieb Jack abrupt stehen. „Sie haben doch nicht etwa versucht, mein Benehmen zu imitieren?“ Er schaute sie herausfordernd an. Bei Jupiter, glaubte sie wirklich, er würde sich so abweisend, überheblich und

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