Miss Lily verliert ihr Herz
sich an die Oberfläche gedrängt, als Charles und Sophie ein Paar geworden waren?
Verflixt! Egal, wann es begonnen hatte – das Zusammensein mit Lily Beecham verschlimmerte das Problem auf jeden Fall. Er musste sich beeilen, die erwünschten Informationen von ihr zu erhalten. Und dann musste er sich von ihr zurückziehen.
„Ich bin froh, dass Sie nicht zu den Drachen gehören.“
„Pardon?“ Er zuckte zusammen.
„Sie besitzen einen wahren Schatz an Wissen. Aber Sie teilen ihn mit anderen. Sie halten Vorträge und veröffentlichen Aufsätze.“ Sie hob den Blick und schaute Jack voller Hochachtung an. „Dafür bewundere ich Sie.“
Ein unbekanntes Gefühl durchströmte ihn. Um Himmels willen, was war los? Dann begriff er: Sein Leben lang hatte er sich nach einem solchen Lob gesehnt. Jetzt fühlte er sich wie ein Verhungernder, dem man gerade eine warme Mahlzeit angeboten hatte.
„Außerdem können Sie so anschaulich reden, dass Sie alle mit Ihrer Begeisterung anstecken. Sie wecken den Wissensdurst Ihrer Zuhörer. Das ist eine Gabe, für die Sie dankbar sein sollten.“
Jedes ihrer Worte war Balsam für seine verwundete Seele – auch wenn er sich diese Verwundung nie eingestanden hatte. Hatte er nicht jeden Schmerz weit von sich geschoben, wenn sein Vater wieder einmal seine Bücher und Papiere mit einer ungeduldigen Handbewegung vom Tisch gefegt hatte?
Doch daran wollte er jetzt nicht denken. Schließlich durfte er sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. „Ich will Ihnen ein Geständnis machen“, begann er. „Es hat auch mit Chione zu tun, dass ich das Gespräch mit Ihnen gesucht habe. Sie wissen ja inzwischen, wie ich mir meine Armverletzung zugezogen habe. Tatsächlich ging es dabei um mehr als einen Kunstraub. Chiones Großvater war ein paar Monate zuvor entführt worden. Nun wollten die Verbrecher auch Chione in ihre Gewalt bringen.“
„O Gott!“ Lily starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. „Wie gut, dass Sie da waren, um das zu verhindern!“
„Leider konnte der größte Schurke, ein Sklavenhändler, entkommen.“
„Das ist allerdings schlimm. Ich habe mich eingehend mit allem beschäftigt, was mit dem Sklavenhandel zu tun hat, und bin darüber informiert, wie unglaublich grausam viele der Händler sind.“
„Ich wünschte, unsere Welt wäre so beschaffen, dass eine Dame wie Sie nichts von solchen Grausamkeiten wissen müsste.“ Jack seufzte. „Nun, jedenfalls bin ich noch immer in großer Sorge um Chione und ihre Familie.“
„Sie glauben, dass dieser Mann seine ruchlosen Pläne noch nicht aufgegeben hat?“
„Ja. Außerdem glaube ich, dass Sie dabei behilflich sein können, ihn unschädlich zu machen.“
„Ich?“ Sie riss die Augen auf.
„Sie und Ihr Cousin Matthew Beecham.“
„Aber Matthew lebt in Amerika!“
„An seinem dortigen Wohnort ist er seit längerem nicht mehr gesehen worden.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen wehtun muss. Aber ich kann Ihnen versichern, dass meine Informationen zuverlässig sind. Ihr Cousin hatte vor einiger Zeit offensichtlich mit jenem Sklavenhändler – er heißt übrigens Batiste – zu tun. Die genauen Hintergründe kenne ich nicht, doch Batiste brachte Matthew Beecham dazu, für ihn zu arbeiten.“
Lily sah jetzt so entsetzt drein, dass Jack den Blick abwandte. Er konnte ihren Kummer und ihre Angst einfach nicht ertragen. Dennoch durfte er sich von seinem Mitleid nicht überwältigen lassen. Während er langsam weiter in Richtung des Tores ging, zwang er sich fortzufahren. „Wie Sie sicher wissen, ist der Besitz von Sklaven in vielen Ländern noch erlaubt. Der Überseehandel allerdings ist verboten. Deshalb war es für Batiste so wichtig, verborgene Kammern auf seinen Schiffen zu haben, Kammern, in denen er Sklaven verstecken konnte. Ihr Cousin hat die baulichen Veränderungen für Batiste vorgenommen.“
Sie standen jetzt auf der Stufe vor dem Tor, und wider alle Vernunft tat Jack genau das, was die Legende verlangte: Er dachte an seine Sorgen und zählte im Stillen bis drei. Doch als er das Tor öffnen wollte, fand er es verschlossen.
Verflucht, er hätte es wissen müssen! Es gab eben keine Wunder!
„Batiste wurde in Amerika erwischt, indes gelang es ihm zu entkommen. Die amerikanischen Behörden wollten mit Ihrem Cousin sprechen, da er ihnen vielleicht wichtige Informationen geben konnte. Aber Matthew Beecham war verschwunden.“
„Ich glaube Ihnen nicht“, flüsterte
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