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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEB MARLOWE
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distanziert verhalten, wie sie es heute ihm gegenüber getan hatte? Die Vorstellung behagte ihm überhaupt nicht. Sicher, er hielt sich für einen zurückhaltenden Menschen. Nicht jedoch für jemanden, der keinen Anteil am Leben seiner Mitmenschen nahm!
    Plötzlich begann er zu lachen.
    „Ich finde das nicht lustig“, stellte Lily gekränkt fest. „Und ich weiß auch nicht, wie Sie das durchhalten. Es ist so anstrengend, dass es mir Kopfschmerzen bereitet.“
    Noch immer lachend rief er aus: „Darf ich Sie zu Ihrer Vorstellung beglückwünschen? Sie sind eine begabte Schauspielerin. Ich hingegen scheine mit meinen Bemühungen gescheitert zu sein. Ich wollte nämlich heute so freundlich und offen sein, wie Sie es sonst sind.“
    „Oh …“ Sie musterte ihn belustigt. „Geben Sie nicht auf! Sie waren tatsächlich schon viel umgänglicher als sonst.“
    „Ich fürchte, ich kann nicht so weitermachen. Es ist zu anstrengend.“ Er griff nach Lilys Händen und drückte sie. „Wir könnten eine Abmachung schließen. Keine Spielchen mehr! Wir wollen ehrlich zueinander sein.“
    „Gut. Dann will ich Ihnen gestehen, dass Sie mir heute wie ein scheinheiliger Langweiler vorgekommen sind.“
    Ein neuer Lachanfall schüttelte ihn. „Machen Sie mich in Zukunft doch einfach darauf aufmerksam, wenn Sie glauben, ich sei nicht ich selbst.“
    Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Und er spürte, wie ihm unter ihrem forschenden Blick warm wurde. In der Tat, diese Frau war einfach unglaublich!
    Schweigend gingen sie weiter.
    Nach einer Weile erkundigte Jack sich: „Wie fühlen Sie sich, nun da Sie die ersten Erfahrungen mit der Londoner Gesellschaft gesammelt haben!“
    „Eine seltsame Frage! Die meisten Menschen wollen wissen, ob ich mich gut amüsiere.“
    „Und tun Sie das?“
    „Allerdings. Nachdem ich mich so lange in allem nach den Wünschen meiner Mutter gerichtet habe, genieße ich es, mich auf das Abenteuer London einlassen zu können. Allerdings macht es mir auch gelegentlich Angst. Vieles ist so … fremd für mich.“
    Er nickte.
    „Ich habe eine im traditionellen Sinne gute Erziehung genossen“, fuhr Lily fort. „Doch nach dem Tod meines Vaters änderte sich mein Leben radikal. Inzwischen habe ich erkannt, dass die letzten Jahre mich dazu gebracht haben, manches mit anderen Augen zu betrachten.“
    „Möchten Sie mir ein paar Beispiele nennen?“
    „Nun …“ Sie krauste die Stirn. „Chester House zum Beispiel. Es ist wundervoll, und man kann so viel lernen, wenn man sich die Ausstellung anschaut. Ich bin sehr froh, dass Sie mich hierher mitgenommen haben. Trotzdem muss ich immer wieder an all die Menschen denken, die dergleichen nie zu sehen bekommen.“
    „Ist es nicht eine Forderung der Reformer, der breiten Masse nur so viel Bildung zugänglich zu machen, wie sie braucht, um ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen zu können?“
    „Vermutlich haben Sie recht. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass jeder die Möglichkeit erhalten sollte, nach den höchsten Zielen zu greifen.“
    Sein Herz begann schneller zu schlagen. Doch er hätte nicht zu sagen gewusst, ob das mehr mit Lilys Worten oder mehr mit ihrem bezaubernden Lächeln zu tun hatte. „Sie erinnern mich an eine Freundin“, gestand er, „obwohl Sie sich auf den ersten Blick sehr von ihr unterscheiden. Chione ist zur Hälfte Ägypterin und hat sich kürzlich mit einem Gentleman verlobt, der sich der Suche nach Antiquitäten verschrieben hat. Früher hat er seine Funde an private Sammler verkauft. Doch Chione hat ihm erklärt, diese Leute seien Drachen.“
    Lily lachte. „Wie wahr! Die meisten Sammler bewachen ihre Schätze so eifersüchtig wie die Drachen im Märchen. Finden Sie nicht auch, Mr. Alden, es wäre besser, die Kunstwerke der Allgemeinheit zugänglich zu machen?“
    „Chione zumindest teilt Ihre Meinung, Miss Beecham. Sie hat ihren Verlobten dazu überredet, seine Schätze dem Britischen Museum zu überlassen.“
    „Ich glaube, ich würde sie mögen.“
    Plötzlich war Jack, als würde er endlich etwas sehen, das schon seit langem direkt vor seinen Augen lag. Seine unerträgliche Gefühlsduselei, seine Stimmungsschwankungen, seine nachlassende Selbstbeherrschung – das alles musste begonnen haben, als Chione und Trey sich nähergekommen waren, so nah, dass er sich unweigerlich ausgeschlossen gefühlt hatte. Oder hatte seine kühle Zurückhaltung sogar noch eher erste Risse aufgewiesen? Hatten die lange unterdrückten Emotionen

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