Miss Lily verliert ihr Herz
die Wand zu werfen – als er ein Scharren hörte. Er erstarrte. Da war es wieder! Jemand befand sich im Treppenhaus.
Jack ging ein wenig in die Knie, um sich mit Schwung auf den Ersten zu stürzen, der über die Schwelle trat. Sein Verstand sagte ihm, dass irgendetwas an den Geräuschen seltsam war. Doch er war viel zu erregt, um auf die Stimme der Vernunft zu achten.
Ein Schatten fiel in den Raum. Die Nerven bis zum Äußersten angespannt, warf Jack sich nach vorn.
Wenn er doch nur sein Messer zur Hand gehabt hätte! Mit bloßen Fingern hielt er den Hals des Eindringlings umklammert. Der Mann regte sich nicht. Jack holte tief Luft und wartete darauf, dass sein Herzschlag sich beruhigte. Sein verletzter Arm schmerzte entsetzlich.
„Effendi …“ Das heisere Flüstern hatte etwas seltsam Beruhigendes.
Jack wandte sich zur Seite, nach dort, woher die Stimme kam.
„Effendi, Sie wollen Ihrem Freund doch nicht wehtun.“
Verwirrt bemerkte er, dass niemand anders als Aswan, Treys treuster Freund, an der Tür stand. Langsam ließ er den Blick zum Gesicht des Mannes wandern, den er noch immer im Würgegriff hielt. Abrupt öffnete er die Finger und trat einen Schritt zurück. „Himmel und Hölle, Sie sind es, Eli!“
Der alte Seemann rang nach Luft, hob die Hände an die Kehle und rieb die schmerzenden Stellen. Schließlich keuchte er: „Ich bin Ihnen wirklich dankbar dafür, dass Sie mir den Kopf nicht abgerissen haben. Schlimm genug, dass mir ein Bein fehlt. Aber was würde Petrus als Wächter am Himmelstor wohl sagen, wenn ich ohne Kopf hineinwollte?“
„Es tut mir leid.“ Jack wandte sich wieder zu Aswan um. Er war froh, die beiden Männer zu sehen, mit denen er einige Abenteuer bestanden hatte. Trotzdem war ihr Erscheinen ein Rätsel. Zumindest Aswan hätte bei Trey und Chione in Devon sein sollen. „Was führt Sie zu mir?“, fragte er.
„Es gibt Neuigkeiten. Aber wie ich sehe“, Eli ließ den Blick über das Chaos in der Wohnung wandern, „haben wir es nicht geschafft, Sie rechtzeitig zu warnen.“
„Was, zum Teufel, geht hier vor?“, verlangte Jack zu wissen. „Ist Trey auch in London? Und wer beschützt Chione und Latimer?“
„Trey ist bei ihnen“, erklärte Aswan, und Eli setzte hinzu: „Wir sind ziemlich sicher, dass der Sklavenhändler nicht in England ist. Aber seine Helfer können uns genug Schwierigkeiten machen.“
„Mervyn Latimers Geschäftsräume in Bristol und Portsmouth sind durchsucht worden. Und nun Ihre Wohnung!“ Aswan schaute sich mit gerunzelter Stirn um, warf dann ein paar Hemden von einem der Stühle auf den Boden und bot die Sitzgelegenheit dem einbeinigen Seemann an.
Eli ließ sich auf den Stuhl sinken. „Wir hatten gehofft, rechtzeitig hier zu sein.“
„Verflucht! Das alles kann nur bedeuten, dass Batiste immer noch nach dem ‚verschwundenen Juwel‘ sucht.“
„Ja, und er glaubt, dass es irgendwo Hinweise auf das Versteck des Schatzes gibt.“
„Er ist besessen“, stellte Aswan fest. „Er wird nicht aufgeben. Wir müssen ihn stoppen!“
Eine Zeit lang schauten die drei Männer sich schweigend an. Sie wussten, dass dieses Juwel kein Edelstein, kein Schmuckstück war, sondern etwas, das nur in der Vorstellungskraft der Menschen existierte. Das jedoch würde Batiste nie glauben. Er würde über Leichen gehen, um den vermeintlichen Schatz an sich zu bringen, einen Schatz, der in seinen Augen unermesslichen Reichtum versprach.
„Wir müssen Batiste ein für alle Mal unschädlich machen“, erklärte Jack schließlich. „Sonst wird er uns bis an sein Lebensende verfolgen.“
„Trey tut sein Bestes“, versicherte der Ägypter. „Und er schickt Ihnen eine Botschaft, Jack. Sie wissen ja, dass er sich schuldig fühlt, weil Sie im Museum angeschossen wurden. Er bittet Sie, besonders vorsichtig zu sein.“
„Sie sollen versuchen, diesen Beecham zu finden“, setzte der alte Seemann hinzu. „Wir kümmern uns um alles andere.“
Aswan hatte sich bereits zur Tür gewandt. Jetzt erhob sich auch Eli. Gleich darauf war nur noch das Geräusch zu hören, das sein Holzbein auf den Treppenstufen machte.
Jack begann, ein wenig Ordnung zu schaffen. In erster Linie ging es ihm darum, ein paar Kleidungsstücke zu finden, in denen man ihn nicht gleich als Gentleman erkennen würde. Obwohl er die meiste Zeit mit dem Studium seiner Bücher verbracht hatte, war er doch einem gelegentlichen Abenteuer nie abgeneigt gewesen. Daher hielt er so etwas wie eine
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