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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEB MARLOWE
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sich um. Niemand war in der Nähe. Auch Thomas, der Lakai, hatte sich ein Stück von ihrer Bank entfernt, um mit paar Dienstmädchen zu plaudern. Sie öffnete ihr Retikül und holte einen Brief heraus. Er war mit der Morgenpost gekommen, zusammen mit anderen Schreiben die Mr. Albright ihr nach London nachgeschickt hatte. Sie hatte Matthews Handschrift sofort erkannt.
    Mit zitternden Fingern brach Lily das Siegel, faltete das Blatt auseinander und begann zu lesen.
    Liebes Cousinchen,
    ich weiß nicht, was Du gehört hast – sofern Dir überhaupt et was über mich zu Ohren gekommen ist. Auf jeden Fall möchte ich Dich bitten, nicht vorschnell zu urteilen. Glaub mir, ich hat te gute Gründe für mein Verhalten. Einzelheiten kann ich jetzt nicht nennen. Doch wenn wir uns wiedersehen, werde ich Dir alles erklären.
    Ich bin vor ein paar Tagen in Le Havre eingetroffen und weiß noch nicht, wann ich meine Reise fortsetzen kann. Jedenfalls werde ich mich so bald wie möglich bei Dir melden. Denke bis dahin nicht zu schlecht von mir, Lilikins.
    Dein Matthew
    Unwillkürlich hatte Lily eine Hand vor den Mund gelegt. Sie war entsetzt über das, was sie gerade gelesen hatte. Hieß das etwa, dass Jack Alden doch recht hatte? Noch immer konnte sie es nicht glauben.
    Sie holte tief Luft und sagte sich, dass die wenigen Zeilen alles Mögliche bedeuten konnten. Dass sie sofort an diesen Sklavenhändler gedacht hatte, lag natürlich nur an der Geschichte, die Jack ihr über ihren Cousin aufgetischt hatte.
    Ich darf ihm von diesem Brief nichts verraten, fuhr es ihr durch den Kopf.
    Aber würde er verstehen, dass sie Matthew niemals verraten konnte? Jack schien sich große Sorgen um seine Freunde zu machen. Es war durchaus nachvollziehbar, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wollte, um diesen Batiste unschädlich zu machen.
    Sie faltete das Blatt zusammen, ließ es in ihrem Retikül verschwinden und starrte nachdenklich vor sich hin. Gab es denn keinen Ausweg aus diesem Dilemma?
    „Miss Beecham?“
    Eine Männerstimme riss sie aus ihren Grübeleien. Wollte Thomas etwas von ihr? Nein, es war Fisher, Lady Dayles Butler, der auf sie zueilte.
    O Gott, etwas Schlimmes musste geschehen sein!
    „Bitte, kommen Sie rasch! Ihre Ladyschaft braucht Sie.“
    „Ist Lady Dayle etwas zugestoßen?“
    „Nein, nein. Sie ist wohlauf. Aber sie braucht dringend Unterstützung.“
    Inzwischen war auch Thomas herbeigekommen, und zu dritt eilten sie zurück nach Dayle House. Lily fand die Hausherrin im Kleinen Salon. Die Frisur der Viscountess hatte sich aufgelöst, ihr Kleid war schwarz vor Schmutz, aber ihre Stimme klang kräftig, während sie Befehle ausgab wie ein Offizier.
    „Martha, du kümmerst dich um den Dachboden. Susan, du bist für die Vorratskammer zuständig. Lizzie, du holst frische Tücher, Seife und … O Gott“, sie fuhr sich mit der schmutzigen Hand über die Stirn, „ich kann nicht mehr klar denken …“
    „Lady Dayle!“ Lily legte ihrer mütterlichen Freundin sanft die Hand auf den Arm. „Was ist geschehen?“
    „O Lily!“ Das Gesicht der Dame verzog sich, und plötzlich standen ihre Augen voller Tränen. „Ich weiß gar nicht …“ Sie begann zu schluchzen.
    Sogleich fielen die Hausmädchen in das Weinen ihrer Herrin ein.
    Lily hingegen holte tief Luft. Sie war auf dem Lande aufgewachsen, kümmerte sich seit Jahren um die Verwaltung des Familienbesitzes und hatte schon so manche Krise gemeistert. „Ihr alle“, sagte sie zu den Dienstmädchen, „wisst, was ihr zu tun habt. Also begebt euch an die Arbeit! Fisher, sorgen Sie dafür, dass ein Teetablett heraufgebracht wird. Und senden Sie nach Lord Dayle. Außerdem werden wir vielleicht ein paar Burschen brauchen, die wir mit Botschaften losschicken können. Darum können Sie sich kümmern, Thomas.“
    „Jawohl, Miss“, sagten der Butler und der Lakai wie aus einem Munde und verschwanden.
    Jetzt hatte Lily endlich Zeit, sich um Lady Dayle zu kümmern. Sie führte sie zu einem Stuhl und drückte sie mit sanfter Gewalt auf den Sitz. „Was ist geschehen?“, fragte sie zum zweiten Mal.
    Der Tränenstrom versiegte. „Ich war in Long Acre, um ein paar Besorgungen zu machen, als ich die ersten Rauchwolken sah. Ein Feuer! Es muss im Geschäft eines Graveurs ausgebrochen sein. Gleich darauf stand schon das benachbarte Waisenhaus in Flammen.“ Erneut begann die Viscountess zu schluchzen. „Chaos brach aus. Ich wollte helfen. Aber meine Kutsche war zwischen anderen

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