Miss Marples letzte Fälle
»Welch ein Glück für Sie.«
»Ja, tatsächlich. Ich glaube fest daran, dass Mary uns als Antwort auf meine Bittgebete gesandt wurde.«
»Sie scheint mir fast zu perfekt zu sein«, warnte Miss Marple. »Ich an Ihrer Stelle wäre etwas vorsichtig.«
Lavinia Skinner missverstand diese Bemerkung völlig. Sie sagte: »Oh! Ich versichere Ihnen, ich tue alles, um ihr das Leben hier erträglich zu machen. Ich wüsste nicht, was ich anfangen sollte, wenn sie uns verlassen würde.«
»Ich bin davon überzeugt, sie wird gehen, wann sie es für richtig hält«, betonte Miss Marple und schaute ihre Gastgeberin bedeutungsvoll an.
Miss Lavinia fuhr fort: »Es erleichtert das Leben sehr, wenn man keine häuslichen Probleme hat, nicht wahr? Wie kommen Sie mit Ihrer kleinen Edna zurecht?«
»Sie ist recht anstellig. Kein Vergleich zu Ihrer Mary n a türlich. Doch weiß ich alles über Edna, weil sie ein Mä d chen aus dem Dorf ist.«
Als sie auf den Gang hinaustrat, hörte sie die Kranke ärgerlich schimpfen. »Diese Kompresse ist völlig ausg e trocknet – Doktor Allerton hat ausdrücklich angeordnet, dass sie beständig feucht gehalten werden müssen. Jetzt lassen Sie schon. Ich möchte eine Tasse Tee und ein g e kochtes Ei – dreieinhalb Minuten, denken Sie daran, und schicken Sie Miss Lavinia zu mir.«
Die tüchtige Mary trat aus dem Schlafzimmer, sagte zu Lavinia: »Miss Emily verlangt nach Ihnen, Madam«, öf f nete die Tür für Miss Marple, half ihr in den Mantel und reichte ihr den Schirm.
Miss Marple nahm den Schirm, ließ ihn fallen, wollte ihn aufheben, ließ ihre Handtasche fallen, deren Inhalt sich über den Fußboden verstreute. Höflich sammelte Mary verschiedene Gegenstände auf – ein Taschentuch, einen Terminkalender, eine altmodische Lederbörse, zwei Shillinge, drei Pennies und ein gestreiftes Pfeffermin z bonbon.
Miss Marple betrachtete das letztere verwirrt.
»O je, das stammt sicher von Mrs Clements kleinem Jungen. Ich kann mich daran erinnern, dass er es g e lutscht hat, als er meine Handtasche nahm, um damit zu spielen. Er muss es hineingetan haben. Es ist furchtbar klebrig, nicht wahr?«
»Soll ich es an mich nehmen, Madam?«
»Oh, würden Sie so freundlich sein. Vielen Dank.«
Mary bückte sich, um den letzten Gegenstand, einen kleinen Spiegel, aufzuheben. Miss Marple nahm ihn en t gegen und rief freudig aus: »Welch ein Glück, dass er nicht zerbrochen ist.«
Daraufhin verließ sie das Haus und Mary, die höflich mit völlig ausdruckslosem Gesicht in der Tür stand, ein Pfefferminzbonbon in der Hand.
Zehn Tage lang musste St. Mary Mead sich den Lobg e sang auf Miss Lavinias und Miss Emilys Perle anhören.
Am elften Tag gab es ein böses Erwachen.
Mary war verschwunden! Ihr Bett war unberührt und die Haustür nur angelehnt. Leise hatte sie sich während der Nacht davongeschlichen.
Und nicht nur Mary wurde vermisst! Zwei Broschen und fünf Ringe von Miss Lavinia und drei Ringe, ein A n hänger, ein Armband und vier Broschen von Miss Emily waren ebenfalls verschwunden!
Doch das war erst der Anfang der Katastrophe.
Der jungen Mrs Devereux waren ihre Diamanten g e stohlen worden, die sie in einer unverschlossenen Schu b lade aufbewahrt hatte und einige kostbare Pelze, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte. Dem Richter und seiner Frau fehlten ebenfalls Schmuck und Geld. Mrs Carmichael war am schlimmsten geschädigt worden. Sie hatte in ihrer Wohnung nicht nur kostbaren Schmuck, sondern auch eine größere Summe Geld aufbewahrt, die gestohlen worden waren. Es war Janets freier Abend g e wesen, und Mrs Carmichael hatte die Angewohnheit, in der Dämmerung im Garten spazieren zu gehen und ihre gefiederten Freunde zu füttern. Es war offensichtlich, dass Mary, das perfekte Hausmädchen, Schlüssel zu allen Wohnungen hatte!
Es muss zugegeben werden, dass die Schadenfreude groß war in St. Mary Mead. Miss Lavinia hatte so geprahlt mit ihrer fabelhaften Mary.
»Dabei war sie nur eine gewöhnliche Diebin!«
Es folgten weitere überraschende Entdeckungen. Mary hatte nicht nur das Weite gesucht, sondern hatte, wie die Agentur, die sie vermittelt und sich für ihren Leumund verbürgt hatte, gar nicht existiert. Mary Higgins war der Name eines unbescholtenen Dienstmädchens, das bei der Schwester eines Dekans angestellt gewesen war. Die wir k liche Mary Higgins lebte friedlich in einem Ort in Cor n wall.
»Verdammt schlau eingefädelt«, musste Inspektor Slack gezwungenermaßen
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