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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Schlachter oder Abdecker.«
    »Potztausend, Mann, er soll doch nicht in Stücke zerlegt werden«, beschwerte sich Déprez. »Ich habe ihn so gut es ging verbunden, aber die Kugel konnte ich nicht entfernen. Sieht so aus, als ob sie seine Rippen in Mitleidenschaft gezogen hat. Er braucht kompetente Hilfe, je eher, desto besser.« Dann schwieg er einen kurzen Moment. »Nun, du musst jemanden finden … streng dich ordentlich an, aber vergeude keine Zeit.«
    »Was soll ich sagen, warum er angeschossen wurde?«
    »Gar nichts. Und bring mir keinen her, der Fragen stellt. Jetzt hilf mir, ihn nach oben zu tragen. Ich hebe ihn an den Schultern hoch. Kannst du seine Beine und die Kerze halten?«
    »Hm-m«, sagte Rede, wies mit dem Kopf auf Hände und Füße des Verletzten und fügte hinzu, »er muss wohl nicht mehr gefesselt sein, oder?«
    »Schon möglich, aber das würdest du nicht fragen, wenn du ihn vorhin erlebt hättest. Und so ist er einfacher zu tragen. Können wir?«
    Und so hievten sie den leblosen Körper langsam die Treppe hoch. Das Licht von Redes Kerze flackerte den schmalen Aufgang hinauf und erleuchtete erst Déprez, der vorsichtig rückwärtsging, dann Hollands an Déprez’ Schulter gelehntes, aschfahles Gesicht und zuletzt, als Rede die Kerze höher hielt, seinen linken Arm. Er hielt Hollands Beine fest unter seinen rechten Arm geklemmt und stützte sich beim Hochgehen an der Wand ab. Dabei gruben sich Putzbröckchen in Redes Mantel ein und regneten grobkörnig auf die Stufen herab.
    »Vorsicht«, warnte Rede, als er hochsah. »Noch einen Schritt, dann sind Sie oben.«
    In der kleinen Kammer fanden sie ein marodes Bett, Stühle und einen Waschtisch vor. Nachdem sie Holland abgelegt hatten, zündete Rede ein Feuer im Kamin an und ging dann noch einmal nach unten, um einen Eimer Wasser zu holen. Als er wiederkam, hatte Déprez Hollands Hemd aufgeknöpft und sah sich gerade die Verbände an.
    Rede glitt mit den Fingern an der Stelle entlang, wo der Verband wattiert war. »Ich glaube, Sie haben recht mit den Rippen. Was machen wir mit ihm?«
    Déprez tauchte seinen Hände ins Wasser und trocknete sie an der schmuddeligen Tagesdecke ab, weil er nichts Besseres fand. »Das hängt davon ab, was der Arzt sagt, aber ich wäre zufriedener, wenn die Blutung aufhören würde.Von Hicks noch nichts Neues, nehme ich an?«
    »Nein, Sir. Noch nicht. Ich war drüben im King’s Arms, aber da war nix von ihm zu sehen. Is aber auch noch früh, wenn man bedenken tut, dass er vom anderen Ende von Woodbridge kommt.«
    »Nun, wir können uns jetzt um ihn keine Gedanken machen. Er weiß, was zu tun ist, und in der Zwischenzeit brauche ich deine Hilfe hier. Und zuallererst musst du einen Arzt finden.«
    »Wird gemacht, Chef. Ehrenwort.«
     
    »Wo gehen wir denn hin?«, wollte Mary wissen. Sie musste sich beeilen, um mit Hicks Schritt zu halten, der sich einen Weg durch das Gedränge der Gaststube des King’s Arms bahnte. Und das war gar nicht so einfach, da unlängst zwei Kutschen voll mit Passagieren angekommen waren, die alle in die Herberge strömten, um dort zu frühstücken, während Mary und ihr Begleiter versuchten, in den Hof zu gelangen.
    »Zum Büro der City Police«, entgegnete Hicks ihr über die Schulter. Nachdem sie sich durch die Menge bugsiert hatte und an seiner Seite auftauchte, nickte er ihr zu. »Gut gemacht, Miss Finch. Vorsicht jetzt.« Er nahm sie bei der Hand und führte sie über den Hof und in die Leadenhall Street.
    Lärm, Gerüche aller Art und ein buntes Gewimmel: Das war London an einem betriebsamen Morgen, aber Mary hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Mit Städten kenne sie sich aus, hatte sie immer gedacht. In Bath war es sicher betriebsam, aber in London schien diese Geschäftigkeit eine ganz andere Dimension anzunehmen. Sie zögerte, erschrocken ob des Höllenlärms von über und über beladenen Karren, Fuhrwerken und Reitern, brüllenden Straßenverkäufern und bellenden Hunden, Schreibern, Verkäuferinnen und zerlumpten Kindern. Wen sie auch anblickte, sie sah nur in angespannte Gesichter, viele davon abgehärmt. Und niemand schien sich ganz in Ruhe fortzubewegen, ohne anderen in die Quere zu kommen.
    Sie empfand das Chaos noch eindringlicher, da sie gegen ihre Müdigkeit ankämpfte. Um halb vier waren sie in London angekommen. Ihre Kammern im King’s Arms erwiesen sich als kalt und ungemütlich. Da ihr der Anblick von Tagesdecke und Bettlaken missfiel, hatte sich Mary in ihren Kleidern

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