Miss Mary und das geheime Dokument
Buchstaben gewählt hatte?«
»Wir hatten es vermutet«, sagte Hicks und fuhr dann leiser fort. »Aber wir mussten das für uns behalten, Mr. D. und ich, weil wir diese Papiere … ähm jemand anderem zeigen wollten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und wir wollten doch nicht vorher alles verraten.«
»Captain Holland«, flüsterte Mary.
»So ist es. Und es wäre … interessant herauszufinden, ob jemand versucht hat, mit Sehler Kontakt aufzunehmen, um ihn zu warnen, nachdem Holland die Dokumente gesehen hatte.« Hicks schwieg einen Moment. »Rede kam Samstagnacht nach Waltham Abbey, also musste man Sehler einige Zeit vorher gewarnt haben. Hm-m. Sehr interessant, das Ganze.«
»Dann ist Joseph Sehler also unser Mann«, sagte Hudson und blickte von den in White Ladies gefundenen Dokumenten auf. »Soviel steht fest, selbst ohne den Rest zu übersetzen. Aber wir wissen auch, dass er abgehauen ist, bevor Rede ihn schnappen konnte, und jetzt … weiß der Geier wohin verschwunden ist.«
»Er ist nur einer unserer Männer«, stellte Hicks richtig. »Er war kein Einzeltäter.«
»Sicher, da waren ja auch noch die Schmuggler, die die Dokumente außer Landes gebracht haben.«
»Ja, Sir, und man hat ihre Spur bis Lindham zurückverfolgt, einem Ort an der Küste von Suffolk.« Hicks blickte zu Mary. »Letzten Endes können wir nicht sicher sagen, wer genau noch alles beteiligt war.«
»Nein, vermutlich nicht«, stimmte Hudson zu. »Schmuggler halten - um ein Haar hätte ich gesagt ›zusammen wie Pech und Schwefel‹ -, aber das ist vielleicht übertrieben. Was ich damit sagen wollte, ist, dass man sie wohl nicht so leicht aufspüren kann. Aber letztendlich sind das nur kleine Fische, verdammt kleine Fische, und nicht der Mühe wert.«
»Ja, Sir, das sehe ich genauso. Aber ich meinte gar nicht die Schmuggler. Als ich sagte, Sehler hat nicht allein gehandelt, meinte ich, dass er noch mindestens einen Komplizen hatte, der nicht nur die Informationen an die Franzosen weitergibt, sondern sie auch für sie sammelt .«
»Und wissen Sie auch, wer der zweite Mann ist?«, wollte Hudson wissen.
Hicks blickte wieder zu Mary. »Nun, Sir...«
»Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, sagte sie mit Nachdruck.
»Nein, nicht mit Sicherheit«, gab Hicks zu, »aber die Beweise führen zu einem Artillerieoffizier namens Holland - Captain Robert Holland.« Er räusperte sich und beugte sich vor. »Wenn ich das kurz ausführen dürfte, Sir.«
»Ja, nur zu«, meinte Hudson stirnrunzelnd. Er wünschte, Hicks und diese junge Frau würden endlich mal zum Wesentlichen kommen. Diese verschwörerischen Blicke und Andeutungen konnte er nicht ausstehen.
»Captain Holland ist, ähm, kein gewöhnlicher Artilleriehauptmann. Im vergangenen Jahr hatte er eine ziemlich wichtige Position im Laboratorium der Artillerie in Woolwich. Er ist praktisch Colonel Congreves rechte Hand.«
»Wer zum Henker ist Colonel Congreve?«
»Oh, entschuldigen Sie bitte. Er leitet das Laboratorium, ein ziemliches Juwel des Militärs. Dort werden geheime Experimente durchgeführt, und Captain Holland steckt mittendrin. Das wäre eine ganz schöne Prise für die Franzosen, wenn sie ihn für sich gewinnen könnten! Wie wir wissen, erstattete er Bericht über die Versuche, die in den staatlichen Pulvermühlen durchgeführt werden, und er ist regelmäßig in Waltham Abbey, wo Joseph Sehler ebenfalls arbeitet . Die beiden müssen sich kennen.«
Hudson zog ein Blatt Papier hervor und machte sich Notizen. »Ja, dass Captain Holland die Möglichkeit hatte, Informationen weiterzugeben, verstehe ich«, sagte er. »Aber haben Sie denn Beweise, dass er das auch getan hat?«
Keine wirklichen Beweise, musste Hicks zugeben, aber unter Berücksichtigung aller Fakten ergab sich ein stichhaltiger Fall. Er leitete seinen Bericht mit der Bitte ein, ihm unvoreingenommen zuzuhören - mehr verlangte er nicht -, aber Mary war dazu nicht lange in der Lage. Sie wollte weder Hicks’ Verdächtigungen hören, die ihr bereits seit dem vergangenen Nachmittag selbst immer wieder durch den Kopf gingen, noch wollte sie sehen, was sie bei Hudson auslösten. Immer wieder hatte sie sich gesagt, es gehe nur um die Wahrheit, und diese in Erfahrung zu bringen sei das Einzige, was zähle. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, wie schmerzhaft die Wahrheit sein würde. Alles war so schrecklich, so schäbig, und jeder konnte sich als Betrüger erweisen. Mit jeder neuen Enthüllung wurde alles nur noch
Weitere Kostenlose Bücher