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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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durchsucht, ebenso wie in den folgenden Tagen die Docks und andere mögliche Schlupfwinkel. Vergeblich. Niemand konnte genau sagen, ob er sich noch in London aufhielt oder auf die eine oder andere Weise nach Frankreich gelangt war, das ja bereits im Zusammenhang mit Holland genannt wurde, als jener unter Verdacht stand. Jedenfalls war Déprez verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    Anfangs erboste es Mr. Hudson, dass man einen solch wichtigen Spion hatte entkommen lassen, nach und nach beruhigte er sich jedoch wieder. Déprez hatten sie zwar verloren, Captain Holland dafür aber wiedergefunden. Das sorgte für ein einigermaßen ausgewogenes Ergebnis, und wenn man noch Redes Tod und die Entlarvung des sicheren Hauses in der Orchard Street dazuzählte, ging die Rechnung fast auf.Vielleicht stünde am Ende sogar ein positives Ergebnis. Hudson erklärte dies Mary, als er ihr seine Aufwartung machte, um sich nach ihrem Gesundheitszustand zu erkundigen. Schließlich war ja allgemein bekannt, dass Damen stärker unter Schock und Gewalt litten als Männer.
    »Mal ganz vertraulich und unter uns gesprochen«, weihte er sie mit schelmischer Miene ein, die ihm ob seines mitgenommenen Zustands gar nicht gut zu Gesicht stand, »es sieht so aus, als ob einige Ihrer übersetzten Papiere sogar noch verheerender waren als angenommen.«
    »Ach ja?«, meinte Mary stirnrunzelnd. »Aber Captain Holland sagte, es stünden keine wirklich wichtigen Geheimnisse darin.«
    »Vermutlich hatte er damit auch recht, aber denken Sie bitte daran, dass er gar nicht alle zu sehen bekam, sondern nur die von Ihnen in White Ladies gefundenen Dokumente. Als ich die Papiere, die ich als Erstes von Hicks bekam, dem Kerl vom Artillerieregiment zeigte, ist der leichenblass geworden.«
    »Captain Holland wurde also in den Papieren von Hicks erwähnt.«
    Hudson nickte. »Ja, ebenso wie auch ein paar andere Offiziere, offensichtlich ziemlich wichtige Kerle - alle genauso unschuldig wie der Captain, aber die Sache wäre für alle ziemlich eng geworden, wenn wir das nicht noch rechtzeitig vereitelt und Déprez nicht das Handwerk gelegt hätten. Wir haben Hicks verhört, müssen Sie wissen, und er hat zugegeben, dass ihre Intrige sich nicht nur auf Captain Holland beschränkte. Er war ihr größter Fisch, so viel steht fest, aber sicher nicht der einzige.«
    »Ja, stimmt. Hicks sagte im Park etwas davon«, erwiderte Mary, während sie sich zu erinnern versuchte. »Dieser … Mr. Déprez war zu ambitioniert.«
    »Vielleicht. Aber eins muss ich ihm lassen: Er war verdammt ausgekocht und hätte es fast geschafft. Stellen Sie sich doch nur vor, was passiert wäre, wenn man Captain Holland als Verräter ›ertappt‹ hätte, der sich nach Frankreich abgesetzt hat. Stellen Sie sich weiter vor, wir hätten echt aussehende Papiere in der Hand gehabt, in denen neben Holland noch andere Offiziere genannt werden. Was dann?«
    »Man hätte angenommen, dass die anderen Offiziere auch schuldig sind.«
    »Ganz genau, und sie hätten es verdammt schwer gehabt, ihre Unschuld zu beweisen.«
    »Das wäre dann die umgekehrte Beweislast«, hauchte Mary.
    Hudson sah Mary verblüfft an und lächelte dann. »Ich sehe schon, Ihnen brauche ich wohl nicht viel erklären, Miss Finch. Nicht, was die rechtlichen Dinge angeht.«
    »Nein«, murmelte sie.
    »Das wäre ein ganz schöner Skandal gewesen, und jeder hätte dem anderen die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, was schiefgelaufen ist. Das wäre nämlich das Nächste gewesen. Glauben Sie mir: Nichts eignet sich besser als ein Durcheinander, um die niedersten Instinkte des Menschen zutage zu fördern, wie heimtückische Morde und Verleumdungen. Dann macht man alles, nur um nicht selbst zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine ziemlich unangenehme Situation. Und so etwas können wir uns nach derzeitiger Kriegslage überhaupt nicht leisten.«
    »Und das alles haben wir verhindert«, sagte Mary. »Ich hatte manches nicht richtig eingeschätzt …« Sie hob ihr Kinn und lächelte ihn an. »Aber wir waren ziemlich heldenhaft, wenn man es einmal bedenkt.«
    »Sicherlich«, stimmte Hudson ihr zu und lächelte ebenfalls. »Und ich bin froh, dass Sie dieser Gedanke beruhigt, Miss Finch. Vermutlich werden wir nämlich keine andere Belohnung erhalten oder Beachtung geschenkt bekommen für das, was wir getan haben; ich meine, was in erster Linie Sie getan haben.«
    »Ich habe nie eine Belohnung erwartet«, meinte Mary und errötete dabei,

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