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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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sein könnte.
    »Sagen Sie mal, stimmt das?«, kam eine Stimme aus dem Hintergrund. »Liegt er im Sterben?« Der Landstreicher war derweil mit dem Essen fertig, er hatte sich herangepirscht und saß nun auf einem Stuhl knapp außerhalb des Feuerscheins. »Der, wo den Unfall hatte?«
    »Stimmt«, fing Mr. Bamford an, wurde aber gleich misstrauisch. »Was weißt du denn davon?«
    »Gar nichts«, protestierte der andere, wobei seine Stimme den gekränkten Tonfall eines Unschuldslamms annahm. »Nur, was die Leute so reden, draußen im Hof. Die haben’s mir erzählt. Der Kerl hat seinen Gig umgeworfen und sich dabei tödlich verletzt.«
    »Stimmt«, gab Mr. Bamford zu. Mit einem Anflug von Stolz fügte er noch hinzu: »Er liegt oben in meinem besten Zimmer.«
    »Glauben Sie, er wird sterben?«
    »Der Apotheker meint, ja. Aber es gibt keinen Grund, sich an dem Missgeschick des Gentleman zu ergötzen.«
    »Ich ergötze mich doch nicht daran, bin nur interessiert. Der tut mir leid, wie mir jeder leidtäte.«
    Mr. Bamford ließ ein skeptisches Grunzen verlauten und zog die Schultern hoch. »Wie dem auch sei. Und was schleichst du dich hier ran und belauschst anderer Leute Gespräche?«
    »Tu ich doch gar nicht, ehrlich!«
    »Kommt mir aber schon so vor … egal«, gluckste Mr. Bamford. »Ehrlich oder nicht, wir haben jetzt genug von dir, ich sperr jetzt ab für die Nacht. Du hattest dein Essen, also verdrück dich. Wenn du willst, kannst du im Stall schlafen.«
    »Das ist aber sehr freundlich von Ihnen, Mister«, verkündete der Landstreicher.
    »Weiß ich. Auf geht’s. Und wenn ich morgen früh feststelle, dass auch nur ein Strohhalm fehlt, wird dir das noch leidtun.«
    »Keine Angst, Sie können mir vertrauen, Mister.«
    »Ich habe keine Angst«, erwiderte Mr. Bamford, während er ihn hinausschob, »ich schließe meine Türen ab und schlafe wie ein Lamm.«
     
    Obwohl sie todmüde war, schlief Mary nicht sofort ein. Ihre Kammer war kalt, und sie lag eine Weile zusammengerollt in der Mitte des Betts, damit ihre Füße nicht noch kälter wurden. Bibbernd dachte sie über Captain Hollands Rat nach. Vielleicht hatte sie doch unrecht, was Mr. Tracey anbelangte. Seine Warnungen waren sehr verwirrend gewesen, und sollte er betrunken gewesen sein oder die Schmerzen ihm übel mitgespielt haben, erklärte dies so mancherlei. Jedenfalls war sie nicht unbedarft, denn sie hatte schon Betrunkene gesehen oder gehört, wie sie nachts lautstark nach Hause torkelten. Normalerweise sangen sie gerne oder riefen lauthals und scherten sich nicht einen Deut darum, ob sie ihre nüchtern gebliebenen Nachbarn belästigten. Egal, was Captain Holland auch sagen mochte, sie war froh, die Uhr ihres Onkels gefunden zu haben. Diese Uhr … Bei ihrem Onkel würde sie genau herausfinden, wie sie in Mr.Traceys Besitz kam. Möglicherweise gab es dafür ja eine einfache Erklärung.
    Vielleicht hatte es auch etwas Gutes - oder war sogar klug -, ihre Reise zu unterbrechen, bis sie mit ihrem Onkel Kontakt aufgenommen hatte. Es wäre sicherlich gut zu wissen, dass alles in Ordnung war. Das konnte ihrer Beziehung eine soliderere Grundlage geben. Andererseits hatte sie alles mehr oder weniger Hals über Kopf begonnen und wollte es auch auf die gleiche Weise zu Ende bringen. In Ipswich zu verharren, um auf einen Brief zu warten, erschien so … abenteuerlos, ganz zu schweigen von den Kosten. Auf keinen Fall wollte sie ihrem Onkel gegenübertreten und ihm als Erstes eine über Gebühr hohe Rechnung präsentieren.
    Und dann war da noch White Ladies. Wie konnte ein einfacher Landgasthof mit dieser Aussicht konkurrieren? Denn Mary war sich sicher, ein solch famoser und romantisch klingender Name müsse zu einem ebenso prächtigen Wohnsitz gehören. Bestimmt blickte er auf eine bewegte Geschichte zurück, und eine Reihe schöner Frauen hatte hier residiert. Oder es waren die Zisterzienser-Nonnen gewesen, und im Mittelalter hatte man sie aufgrund ihrer Gewänder die White Ladies genannt. Vielleicht war das Gemäuer einmal ein Kloster oder eine Abtei gewesen, die Henry VIII. konfisziert hatte. Was für ein übler Mensch das doch war , dachte Mary . Erst heiratete er die Frauen, und dann ließ er sie köpfen. Genau wie die Franzosen, nur dass die ihre Opfer nicht erst heirateten. Es konnte sogar sein, dass die Nonnen oder schönen Frauen noch heute auf White Ladies spukten, denn die FarbeWeiß im Namen konnte sich auch auf Geister beziehen.Wie aufregend es sein musste, in

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