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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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war stämmig und dick. Aufgerollte Hemdsärmel und eine dreckige weiße Schürze deuteten darauf hin, dass dies tatsächlich der Wirt des Crown war, obgleich er rote Pantoffeln trug, was Mary einigermaßen verblüffte.
    »Wie belieben?«, fragte sie und errötete. »Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich eine Kutsche mieten kann?«
    »Klar, Miss«, antwortete der Wirt, »hier lang, bitte.« Er deutete auf einen großen Tisch hinten vor der Wand, um den sich eine Horde Menschen scharte. »Machen Sie sich nichts aus den Leuten«, drängte er sie, als sie zögerte, während die Männer sie mit Blicken taxierten. »Die tun Ihnen nix. Jetzt setzen Sie sich mal hin und sagen mir, wohin es gehen soll.« Er ließ sich auf einen Hocker fallen und bedeutete Mary, in einem breiten, tiefen Sessel Platz zu nehmen.
    »Danke.« Sie setzte sich lediglich auf die Ecke und sagte in einem, wie sie hoffte, geschäftsmäßigen Ton, der sich aber in Wirklichkeit als ein nervöses Piepsen entpuppte, was sie benötigte: eine Kutsche und einen Fahrer bis nach Lindham, bitte.
    »Sie besuchen jemanden, was?«, fragte sie der Wirt. Nur mit einem Auge schielte er in ihre Richtung, als ob er nicht darauf vertrauen konnte, was er mit beiden Augen sah, und strich sich mit der abgenutzten Schreibfeder um das Kinn.
    Mary räusperte sich. Die Luft im Raum war abgestanden und rauchig, weil man die Fenster wohl nur selten öffnete. »Ja, das tue ich.«
    »Nun, das ist ein hübscher Ort, Lindham. Liegt näher am Meer als wir hier. Die junge Lady hier besucht jemanden in Lindham«, verkündete er den anderen Kartenspielern.
    Zwei von ihnen drehten sich um und beobachteten Mary, während der Dritte feierlich die Karten einsammelte. Dass Lindham Charme hat, darüber waren sich alle einig. »O ja, Lindham ist ein schönes altes Örtchen, Miss.« »Die Seeluft dort wird Ihnen guttun, Miss.«
    »Nun«, sagte der Wirt, »die Miete beläuft sich auf elf Pence pro Meile, für eine Reise über …« Er neigte sich an ihr vorbei und rief einem seiner Kollegen zu: »Nach Lindham sind es sechs Meilen, oder, Tom?«
    »Ja, so ungefähr«, antwortete der. »Haben Sie Familie dort, Miss?«
    »Ja-a.« Mary hatte nicht bedacht, dass ihre Reisevorkehrungen zum allgemeinen Gesprächsthema werden könnten. Sie drehte den Sessel, um zu betonen, dass sie nur mit dem Wirt sprach, aber sie war wohl die Einzige, die diese Geste deuten konnte. Alles, was auch nur den leisesten Anschein machte, interessant zu sein, wie ihr Eingeständnis, sie fahre eigentlich noch weiter als bis nach Lindham, wurde auf der Stelle weitergegeben, und bald schon hatten die anderen Männer den Tisch verlassen und sich um sie versammelt. Sie stützten sich amTisch ab oder lehnten an der Wand. Einer stieß gegen den Fuß ihres Sessels, und Mary hatte das Gefühl, die Luft würde ziemlich dünn.
    »Hast du schon mal von White Ladies gehört,Tom?«, fragte der Wirt. »Tom Scott hier ist aus Lindham.«
    Tom Scott erkannte die Autorität des Wirts mit einem kurzen Nicken an. Dann kratzte er sich nachdenklich am Kinn. »Der komische alte Kasten, Miss? Hinter Rooks’ Hollow?«
    Mary musste zugeben, sie könne dies nicht bestätigen, was das Gespräch weiter beflügelte. »Meinst du da nicht das Haus von Mrs. Tipton?«, fragte ein Mann namens George Trotter, der die gute Seeluft von Lindham gepriesen hatte.
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Mary. »Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so heißt.«
    »Nun, ich denk mal, Sie wüssten, wenn Sie die kennen würden«, stimmte George ihr zu und verzog das Gesicht, »aber sonst gibt es in Lindham kein großes Haus, nicht dass ich wüsste. Außer ganz nah am Meer.«
    Tom begann dies zumindest teilweise zu bestreiten, und der Vierte im Bund, der nun zum ersten Mal etwas von sich gab, riet George, seine Ansichten nicht ständig zum Besten zu geben, da sie nichts wert seien.
    Diesen Rat befolgte er jedoch nicht, und die Fragerei ging weiter. »Und besuchen Sie Ihre Familie, Miss?« »Wie war gleich noch mal der Name?« George Trotter und Tom Scott rückten ihr nun bedrohlich nahe, während sie ihre Fragen stellten, und Mary wurde immer heißer. Sie wollte in scharfem Ton erwidern, dass sie überhaupt keinen Namen genannt hatte und sie dies nichts anginge, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, weil die Männer direkt vor ihr standen. Wieder stieß jemand gegen ihren Sessel, woraufhin sie eingestand, dass der Name Finch sei; ihr Onkel sei Mr. Edward Finch.
    Tom

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