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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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höflich«, wiederholte sie mit Vehemenz.
    »Höflich ist, wer höflich ist«, erwiderte der Hänfling. »Und niemand kann sagen, dass ich nicht die Runde zahle - wenn ich darum gebeten werde - oder versuche, was zu nehmen, was nicht mir ist. Wenn ich Ihnen diesen Brief gebe, Miss«, und er ließ seinen Worten die entsprechende Tat folgen, »heißt das nicht, dass ich von Ihnen einen Gefallen erwarte, weil ich Ihnen das nämlich anständig bezahlen tu.«
    »Was haben Sie denn da?«, wollte Mrs. Bamford wissen und warf einen flüchtigen Blick auf das hingehaltene gefaltete Stück Papier.
    »Einen Brief, was denn sonst, der braucht nur noch etwas Wachs, um ihn richtig zu versiegeln, und dann muss er in den Sack für die Post nach London gesteckt werden.«
    »Und wer ist Mr. Jonathan Hicks, Esquire, The Old Bell, Holborn?«
    »Ist doch egal, aber vermutlich ist er ein genauso höflicher Mensch wie jeder andere hier, und er wartet auf diesen Brief. Wie wär’s, wenn Sie mir sagen, was das kostet? Für umsonst werden Briefe heutzutage ja nicht verschickt, oder?«
    Mrs. Bamford blickte skeptisch vom Brief auf dessen Schreiber. »Und Sie sagen, Sie wollen ein wenig Wachs haben, ja?«
    »Genau.«
    »Na, dann kommen Sie mal besser mit rein, denn hier draußen habe ich kein Wachs.« Sie seufzte ein weiteres Mal, wie jemand, für den das Versiegeln und Versenden von Briefen nur die erste Tätigkeit im Laufe eines langen und beschwerlichen Tages war. »Er muss gewogen werden, und wenn Sie das Geld dafür haben, dann kommt er in den Postsack, der heute Abend weggeht.«
     
    Mary und Holland waren die einzigen Reisenden in der Kutsche nach Woodbridge, aber Marys gute Laune vertrug sich bald nicht mehr mit ihrem Anstandsgefühl. Sie durfte nur nicht leichtsinnig werden. Mrs. Bunbury ermahnte die Mädchen immer, nicht leichtsinnig zu werden. Sogar Mary hatte ähnliche Vorwarnungen von sich gegeben, besonders dann, wenn sie sich in einer neuen Klasse Autorität verschaffen wollte. Jetzt beäugte sie Holland forschend, während er aus dem Fenster schaute und ihre Anwesenheit gar nicht zu bemerken schien und auch nicht, ob sie kurz davor war, ihren Kopf zu verlieren oder nicht.Vielleicht sann er über wichtige militärische Angelegenheiten nach, und es war unhöflich, ihn dabei zu stören. Andererseits konnte sie sich ihm gegenüber aber auch nicht während der ganzen Fahrt bis nach White Ladies wie eine Fremde verhalten, und je länger die Stille andauerte, desto schwieriger würde es, eine Konversation zu beginnen.
    »Hoffentlich werden durch diesen Umweg nicht all Ihre eigenen Pläne durcheinandergebracht, Captain Holland.« Die Kutsche schaukelte hin und her, und Mary musste ihre Stimme anheben, um sich angesichts der quietschenden Scharniere und rumpelnden Räder Gehör zu verschaffen.
    »Wie bitte?«, fuhr er hoch, als hätte ihn ihre Frage völlig überrascht. »Aber nein.«
    »Oh, ich fürchte, ich störe Sie gerade.«
    »Nein, überhaupt nicht.« Er wandte sich vom Fenster ab und holte tief Luft. »Manchmal bin ich nicht …«, und atmete wieder aus. »Ich bin im Augenblick beurlaubt. Darüber habe ich nachgedacht.«
    Mary nickte. Er kam ihr angespannt vor, als ob er sich unwohl fühlte. Konnte es möglich sein, dass er schüchtern war? Wohl kaum. Dafür benutzte er zu viele Schimpfwörter. »Ungesittetes Zeug«, wie Ned, der Kondukteur, es genannt hätte. »Sicherlich ist es nicht einfach, um eine Beurlaubung nachzusuchen, ich meine bei Ihrem Beruf.«
    »So schwer ist das nicht. Und ich bin recht häufig unterwegs, um Dinge zu erledigen.«
    Dies erschien ihr eine merkwürdige Beschreibung seiner Aufgaben zu sein, aber sie ließ sich gerne belehren und hakte deshalb nach: »Was für Dinge sind das denn, wenn Sie mir diese Frage gestatten?«
    Er zuckte mit den Achseln und sah immer noch so aus, als ob er keinen besonderen Wert darauf legte, die Konversation fortzuführen. »Dies und das. Stationiert bin ich natürlich in Woolwich. Im Waffenlager von Woolwich«, fügte er erklärend hinzu, als er Marys fragenden Blick sah. »Es wird ›Warren‹ genannt.«
    »Werden dort die … Kanonen aufbewahrt?«, fragte sie noch ein wenig verwirrter.
    »Kanonen, Mörser, Kugeln und alles Mögliche an Versorgungen.«
    Das Gespräch nahm einen überaus seltsamen Lauf. »Verordnungen?«, fragte Mary. »Meinen Sie Gesetze ?«
    »Versorgung«, korrigierte er sie, »Nachschub. Das sind Waffen, verschiedene Waffenarten.«
    »Verstehe. Und die

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