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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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runzelte die Stirn und sagte, er kenne ihn nicht. Mary wusste gleich, dass er sie anlog, und wurde wieder mutiger. »Warum behaupten Sie,White Ladies sei ein komischer Ort?«, fragte sie ihn.
    »Keine Ahnung. Sie waren noch nie dort, sagten Sie? Es ist halt alt und …«
    »Alt und moderig, was, Tom?«, juxte George.
    »Sei doch mal ruhig, George«, drängte ihn der Vierte im Bunde. »Die junge Lady interessiert sich nicht für deinen Unfug.«
    »Wollen wir dann sieben Meilen sagen und sechs für die Miete, Miss?«, fragte sie der Wirt, nachdem ihm der ursprüngliche Anlass für das Gespräch wohl wieder eingefallen war, aber Mary sah noch immer Tom Scott an und hörte dem Wirt nur mit halbem Ohr zu.
    »Nun, Miss Finch, haben Sie alles geregelt?«
    Diese zugleich bekannte und unerwartete Stimme ließ sie hochfahren. Captain Holland stand im Türrahmen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, war er gleichermaßen amüsiert wie irritiert.
    »Ja-a«, antwortete sie und nickte dabei.
    Als Holland auf sie zukam, bemerkte Mary, wie er mit dem Wirt einen Blick wechselte und die anderen Männer sich zurückzogen. Der Schwarzbärtige mischte schwungvoll die Karten und deutete auf den Tisch auf der anderen Seite des Raums. »Du bist dran mit Geben, George«, drängte er nun, »falls du es vergessen hast. Lass uns weiterspielen. Bist du mit dabei, Joe?«
    »Klar«, sagte der Wirt gutmütig. »Bleib mal ganz ruhig. Danke, Sir«, fügte er noch in Hollands Richtung hinzu, als der ihm das Fahrgeld gezahlt hatte. »Ich habe eine schöne Karriole, mit der können Sie und die junge Lady stilvoll nach Lindham fahren.«
    Er begleitete Mary und Holland in das Fremdenzimmer und schlurfte dann vor, um den Wagen bereit zu machen. Sobald sie alleine waren, wandte Mary sich an ihren Begleiter. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht auf Sie gewartet habe, wie Sie es mir rieten«, begann sie, »aber ich dachte, ich könnte mich nützlich machen und schon einmal die Kutsche mieten.«
    »Schon gut.« Normalerweise war Holland nicht so gleichmütig, aber er glaubte mittlerweile, dass Miss Finch einfach eine seltsame junge Frau war und man besser daran tat, ihr ihren Willen zu lassen.
    »Aber Sie müssen sich doch gewundert haben, wo ich geblieben bin.«
    »Nein. Man sagte mir, der Wirt spiele morgens gerne Brag mit drei Karten, und da nahm ich an, Sie hätten gefragt, ob Sie ein paar Runden mitspielen können, um sich die Zeit zu vertreiben. Sie haben doch nicht viel verloren, oder?«, fragte er ganz unschuldig.
    »Nein, habe ich nicht«, erwiderte sie. »Ich würde sicher niemals mit Fremden um Geld spielen, und abgesehen davon kenne ich die Regeln von Brag gar nicht. Aber jetzt haben Sie mich abgelenkt! Ich wollte Ihnen sagen … Mit diesen Männern stimmt etwas nicht. Haben Sie gesehen, wie sie um mich herumstanden? Sie haben sich doch sehr merkwürdig verhalten, nicht?«
    Holland wollte erwidern, dass nichts dabei sei, wenn Männer sich um ein hübsches junges Ding scharen, besonders wenn es sich dort aufhält, wo es nicht hingehört, und puterrot anläuft, sobald man es anspricht. Stattdessen zuckte er die Achseln und merkte an, dass sie sie wohl nur provozieren wollten.
    Es überraschte ihn nicht zu sehen, dass sie ihr Kinn anhob. »Sie haben mich nicht provoziert«, versicherte sie ihm, obgleich sie sich nicht vollkommen sicher war, was dieser Ausdruck eigentlich bedeutete. »Die Männer haben mich nach Lindham ausgefragt, nach White Ladies und meinem Onkel. Sie wissen etwas. Dessen bin ich mir ganz gewiss!«
    Holland rückte die Lederriemen an seiner Tasche zurecht, ohne Mary dabei anzusehen. »Was haben sie denn gesagt?«
    »Einer von ihnen behauptete, das Haus sei merkwürdig und sehr alt, aber die Art, wie er das sagte, hörte sich falsch an, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er behauptete auch, der Name meines Onkels würde ihm nichts sagen, obwohl ich ihm ansehen konnte, dass er log. Ein Mann namens George Trotter sagte - nun, ich weiß nicht mehr genau was, aber er war sehr unhöflich. Ich mochte nicht, wie er mich ansah. Ein anderer - der mit dem schwarzen Bart - verhielt sich sehr ruhig, aber an den Blicken, die er mit Tom Scott austauschte - das war der andere Mann, der log, was meinen Onkel anbelangt -, konnte man sehen, dass Tom und George nicht mehr sagen sollten. Sie wollten wissen, was ich weiß.«
    Holland nahm ihren Redeschwall gar nicht wahr, aber schließlich hörte er doch auf, an seiner Tasche zu hantieren.

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