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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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»Und was passierte dann?«
    »Dann sind Sie gekommen«, sagte Mary und seufzte dabei theatralisch, »deshalb haben sie dann ja weiter Karten gespielt, als ob nichts gewesen wäre.«
    Sie sah Holland an und wartete auf eine Erwiderung. Er dachte kurz nach. Dann antwortete er ganz vernünftig mit teilnahmsloser Stimme, was Mary besonders irritierend fand: »Das wird wohl an meiner Uniform gelegen haben. Hier in der Gegend schmuggeln sie ordentlich und wollen nichts riskieren.«
    »Verstehe«, sagte sie und nickte. Wenigstens versuchte er nicht, sie einfach so abzuspeisen! »Natürlich. Sie glauben, dass das Freihändler sind.«
    » Frei... Woher wissen Sie denn davon?«
    Mary erklärte ihm, was Mr. Treadgill über die Freihändler und ihre Verruchtheit gesagt hatte, und war ganz erstaunt, weil er ihr nicht sofort beipflichtete. Stattdessen merkte er an, zu schmuggeln sei wesentlich einfacher, als sich auf einem winzig kleinen Stück Land abzurackern, wenn dabei nur ein krummer Rücken und eine schlechte Ernte heraussprangen. Und es war bestimmt reizvoll, dem Zoll und der Marine immer einen Schritt voraus zu sein. Manch einer riskiert eine Menge, um diesen Nervenkitzel zu spüren und vielleicht eine große Belohnung einzuheimsen.
    Sie kräuselte die Stirn. »Aber Sie billigen doch sicherlich nicht die Schmuggelei, oder? Besonders jetzt nicht, wo wir uns im Krieg befinden?«
    »Es ist ziemlich egal, was ich billige und was nicht, aber zufälligerweise bin ich gegen das Schmuggeln. Glauben Sie ja nicht, diese Männer … heckten irgendetwas aus. Wenn das Haus Ihres Onkels sehr eindrucksvoll ist, kennen es bestimmt viele, und es ist wie eine Sehenswürdigkeit, die jeder schon mal gesehen hat. Die reden nicht viel mit Fremden, weil sie keinen Ärger wollen. Weiter nichts. Es ist Unsinn, da von lauter Geheimnissen und Schwierigkeiten zu reden.« Er machte eine vage Geste, als ob Dinge so, durch eine unbedachte Luftbewegung, entstanden. »Sie regen sich nur unnötig auf.«
    »Nein. Das verstehe ich«, gestand Mary ein, wenngleich sie ganz und gar nichts verstand, aber sie dachte mittlerweile, Captain Holland wäre jemand, der andere gerne entmutigte, und da war es besser, ihm nicht zu widersprechen.

5
    Anfangs war die letzte Etappe ihrer Reise nach White Ladies so abwechslungsreich, dass Mary nicht genauer darüber nachdachte, was wohl bei ihrer Ankunft geschähe. Noch nie hatte sie eine Windmühle gesehen, und in Woodbridge gab es gleich zwei dieser großen Maschinen mit langen rotierenden Armen, die man über dem Ort auf dem Hügel erblicken konnte. Von dort aus sah man auch das rege Treiben unten in der Bucht. Die Landstraße führte ungefähr eine Meile nördlich von Woodbridge über einen Wasserlauf, und dann ging es in südöstlicher Richtung weiter. Der Fluss hieß Deben und mündete nördlich von Felixstowe ins Meer. Holland erklärte ihr, dass Woodbridge früher ein großer Hafen gewesen war, aber die Deben hatte im Laufe der Jahrhunderte ihre Ufer verändert, und jetzt konnten nur noch kleinere Boote bis hierher ins Inland vordringen. Darüber, ob Schmuggler diese Art von Booten bevorzugten, wie Mary ihm dies suggerieren wollte, wusste er indes nicht so gut Bescheid. Er meinte nur, dies könne sein.
    Nachdem sieWoodbridge hinter sich gelassen hatten, wurde die Landschaft hügelig mit viel Stechginster, Farn und nur hier und dort einem Baum, der den Horizont verdeckte. Sie begegneten lediglich einem anderen Karren, beladen mit Reet, das man bereits zur Weiterverarbeitung auf dem Dach gebündelt hatte, sowie zwei Männern, vielleicht Verwalter, die ihre Hunde ausführten. Hinter dem Dorf Shottisham fuhren sie an einem Mann vorbei, der eine Hecke ausbesserte. Nichts davon bot Anlass für eine Konversation. Der bedeckte Himmel hatte sich immer mehr zugezogen, und Regen lag in der Luft.
    Langsam aber sicher wirkte die düstere Atmosphäre sich auch auf Mary aus. Selbst unter normalen Umständen wäre ihre Reise nach White Ladies nicht sorglos verlaufen, aber nun stellte sie sich noch detaillierter Schwierigkeiten vor. Von St. Ives bis nach Lindham waren es mehr als vierzig Meilen. Was würde sie bei ihrer Ankunft vorfinden? Zwar glaubte sie nicht mehr, dass die Franzosen in Suffolk herumschlichen, aber wie sah es mit den Dorfbewohnern aus? Vielleicht waren sie unfreundlich oder verhielten sich ganz anders, als sie es gewohnt war. Und ihr Onkel? Er war um vieles älter als ihr Vater, das wusste sie. Würde er ihm

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