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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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Großvater am Schreibtisch sitzend porträtiert. Vor ihm lagen eine Landkarte, ein Kompass und ein erlegter Biber, was wohl darauf hindeutete, dass Captain Finch sein Vermögen im Tierfellhandel mit Nordamerika gemacht hatte. Holland fand, er sähe wie ein zäher alter Bursche aus, behielt dies jedoch für sich.
    Was Mary an Essbarem gefunden hatte sowie eine Flasche Wein, welche Holland zufolge half, sich für die bevorstehende Reise zu wappnen, reichte für ein auskömmliches Abendmahl. Besonders geschickt stellte er sich beim Grillen der aufgespießten rohen Schinkenstücke über dem Feuer an. »In Indien haben wir häufig unser Essen so zubereitet«, erklärte er ihr, als sie seine Technik bewunderte.
    »Ach, Sie waren in Indien?«, fragt Mary. »Wie aufregend. Dann haben Sie wohl gegen … Haidar Ali gekämpft, nehme ich an?«
    »Nein«, erwiderte Holland stirnrunzelnd, »gegen seinen Sohn, Tipu Sultan. Ich sollte wohl nicht überrascht sein, dass Sie über Indien genauso gut Bescheid wissen wie über alles andere auch, aber ich bin es trotzdem.«
    Mary konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Darüber weiß ich wirklich so gut wie gar nichts, das kann ich Ihnen versichern. Mr.Treadgill erzählte mir nur ein wenig über Haidar Ali. Mr. Treadgill war 1780 in Madras und hatte dort ein Abenteuer zu bestehen.«
    »Wenn er dort war, als sie die Stadt stürmten, glaube ich Ihnen das gerne.«
    Holland war 1785 nach Indien gegangen. Da im Königreich Großbritannien Frieden herrschte, ließen Beförderungen bei den Streitkräften sehr lange auf sich warten, und in den Regimentern, in denen Ernennungen nicht käuflich zu erwerben waren, gab es nur äußerst selten Aufstiegsmöglichkeiten. Die Artillerie hatte aufgehört, neue Unteroffiziere zu ernennen. Nachdem er seine militärische Ausbildung an der Akademie in Woolwich abgeschlossen hatte, ergriff er die Chance und erhielt bei der Armee der East India Company gleich eine Anstellung. In Indien verbrachte er sieben Jahre und kehrte erst 1792 zurück, als man ihn schließlich doch noch in der Royal Artillery zum Offizier ernannte.
    »Na, dann ging ja alles doch noch gut aus«, sagte Mary, obgleich ihr der Status der East India Company und die Beziehung zwischen diesen Offizieren und jenen der britischen Streitkräfte ein Rätsel war. »Das freut mich für Sie. Und obgleich man dort sicher vielen Gefahren und Schwierigkeiten ausgesetzt war, hört sich Indien nach etwas ganz Aufregendem an. Ein richtiges Abenteuer. Ich glaube nicht, dass ich jemals … Aber manche Damen gehen doch auch dorthin, oder? Engländerinnen meine ich.«
    »Hm. Da wird ja bei Weitem nicht nur gekämpft, und es gibt viel zu sehen: Paläste, Tempel und die Basare. Aber es ist verdammt … Entschuldigung … wahnsinnig heiß dort, und während des Monsuns hat man das Gefühl, es hört nie mehr auf zu regnen. Und es ist da natürlich ganz anders als in England.«
    »Deshalb würde es mir ja gefallen«, sagte Mary und nickte. »Schließlich führe man ja nicht den langen Weg nach Indien, wenn es dort genauso wäre wie zu Hause, nicht wahr?«
    »Nein, das stimmt wohl.«
    Er lächelte, zum einen, weil sie beide derselben Meinung waren, und zum anderen, weil ihm gefiel, was sie gesagt hatte. Indes ermutigte sein freundlicher Gesichtsausdruck sie, ihn weiter über seine Zeit in Indien zu befragen.War er jemals auf einem Elefanten geritten? Konnten diese sehr schnell laufen? Bestimmt nicht schneller als ein Pferd, oder? Und die Tiger: Waren sie tatsächlich so wild? Waren ihm Tiger begegnet, die Menschen fraßen?
    Holland dachte angestrengt nach, um sich zu erinnern, was er mit Elefanten erlebt hatte. Gesessen hatte er nie auf einem - was Mary sehr bedauerlich fand -, aber er hatte sehr viele gesehen, und es fiel ihm schwer, sie noch als Wundertiere zu beschreiben. Bei Tigern war mehr aus ihm herauszubekommen. »Es gab jede Menge Geschichten über Tiger, die Ziegen, Ochsen und so gut wie alle anderen Tierarten um die Ecke brachten, und wenn man im Flachland ein Lager aufschlug, lachte man und sagte, das sei alles Schei … gar nicht wahr. Aber nachts im Dschungel konnte man sie manchmal vernehmen. Zwar knurrten oder brüllten sie nicht, aber sie hechelten so laut, dass sie gut hörbar waren. Und manchmal sahen wir, wie ihre grünen Augen sich kurz im Lagerfeuer spiegelten. Dann glaubten wir alle, dass es Tiger waren, und hatten bis zum Morgengrauen eine Pistole neben uns liegen.«
    »Wie konnten Sie in

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