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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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der Küche bei Mrs. Bunbury. Plötzlich wurde ihr klar, was sie mit ihr vorhatten. »Nein, nein! Bitte!«, rief sie und begann, sich in panischer Angst zur Wehr zu setzen. Aber alles war vergeblich. Man verfrachtete sie mühelos bis zur schwarzen Öffnung, und als ihre Handgelenksknochen gegeneinandergerieben wurden, rang sie nach Luft.
    Hier roch es feucht und muffig. Sie schloss die Augen und erwartete jeden Moment den Schock von kaltem Wasser zu spüren. Aber der Griff ihres Peinigers lockerte sich nicht, stattdessen zwang er sie, einige Stufen hinabzusteigen. Sie öffnete die Augen zwar wieder, konnte aber nichts sehen außer einem unterirdischen Raum.
    Ziemlich unerwartet fand sie sich auf einmal auf den Stufen sitzend wieder, ihren Peiniger dicht neben sich. Sie konnte seinen widerlichen Atem riechen.Wieder flüsterte er bedrohlich: »Keine Bewegung jetzt. Ich höre oben alles.« Langsam ließ er seine Hand von ihrem Mund zur Kehle gleiten. »Dann komm ich runter und brech dir den Hals … so«, und er veranschaulichte das Gesagte, indem er zudrückte. Sie keuchte, bekam keine Luft mehr, und das Blut hämmerte ihr gegen die Stirn. Plötzlich jedoch ließ er von ihr ab. Sie bekam kaum mit, wie sich seine Schritte entfernten und er die Bodenklappe verriegelte. Dann war sie allein.
    Einige Minuten lang saß Mary auf den Stufen und rang ermattet nach Luft. Sie war zu benommen, um sich zu bewegen oder über das Geschehene nachzudenken. Sie konnte nur seine Befehle befolgen: nicht bewegen, nicht reden. Langsam erwachte ihr Widerstandsgeist aber doch wieder, wiewohl dies alles nur noch verschlimmerte. Allein in diesem dunklen stillen Raum wucherte ihre Angst wie unliebsamer Schimmel. Hatte man sie zurückgelassen, damit sie verhungerte? Sie hatte es mit gewalttätigen Männern zu tun, die keine Gnade kannten und sie hier lebendig einkerkerten! Einkerkern ... Was für ein unglückseliges Wort das war. Doch wenn sie nicht zurückkamen und sie freiließen, wer vermochte sie dann überhaupt zu finden?
    Sie schluckte, um die Schmerzen in ihrem trockenen Mund zu lindern. Um sie herum war es stockdunkel. Die Stufen hinter ihr führten zur Bodentür, die von hier unten aus betrachtet zur Decke geworden war. Die Stufen und die kalte, raue Wand links konnte sie ertasten, aber sie wagte nicht vorwärtszugehen. Vor ihr lag die Aussicht, einsam zu sterben, und sie malte sich noch schrecklichere Gefahren aus. Was, wenn sie nicht allein hier war? Was, wenn sich hier noch ein anderes Lebewesen aufhielt, das bestimmt vor lauter Hunger schon den Verstand verloren hatte? Ein anderer Mensch oder... bei dem »oder« lief ihr ein Angstschauer den Rücken hinab, und auf einmal glaubte sie fest daran, auch wenn dies unsinnig war, etwas würde sie plötzlich packen oder jeden Moment nach ihr greifen. Fast vermochte sie zu spüren, wie jemand sie am Fuß berührte, runzelige Finger, die ihre Fessel umklammerten.
    Doch nichts geschah. Langsam, ganz langsam verebbte ihre panische Angst. Sie zitterte ob der Kälte und Feuchtigkeit. Mit der Zeit erlangten auch ihre anderen Sinne wieder die alte Schärfe zurück. Noch immer war es nicht einmal möglich, die eigene Hand vor dem Gesicht zu sehen, aber sie schalt sich, weil sie auf den Stufen gekauert hatte. Wozu sollte es gut sein, sich so zu ängstigen? Sie musste handeln, einen Weg nach draußen finden. Nachdem sie tief Luft geholt hatte, schob sie sich vorsichtig nach unten, Stufe um Stufe. Dann richtete sie sich langsam auf. Dabei hielt sie sich mit einer Hand an der Wand fest.
    Plötzlich hörte Mary ein Geräusch - ein Scharren. Sofort dachte sie an Ratten und zog sich auf die Stufen zurück. Zwar hörte sie das Geräusch kein zweites Mal, aber sie war nicht überzeugt, dass sie hier unten allein war. Sie lauschte angestrengt. War da etwas, das atmete? Die Panik nahm noch zu, als sich dieses Etwas wieder zu bewegen schien. Es musste ganz in der Nähe sein … O Gott, was kann das nur … Bis zu diesem Augenblick hatte sie seine Existenz völlig vergessen, aber jetzt flüsterte Mary: »Captain Holland?«
    Unendlich erleichtert, stieg sie die letzten Stufen hinab und ging durch den Raum. Sie erspürte sich den Weg und passte auf, nicht auf ihn zu treten. Schließlich kniete sie neben ihm nieder. »Captain Holland«, wiederholte sie und rüttelte ihn an der Schulter. »Sind Sie das? O bitte, kommen Sie doch zu sich .«
    Unter Schmerzen stieß er einen Seufzer aus und machte Anstalten, sich

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