Miss Seeton kanns nicht lassen
halten.«
Brinton lachte schallend. »Wunderbar. Das finde ich wirklich glänzend. Und wo bleibe ich? Schließlich haben wir bei der Untersuchung doch die Hauptarbeit geleistet, was? Aber ich verstehe Sie schon. Wenn die Täter dies hören und ebenfalls glauben, dann werden sie sich die alte Dame vornehmen, um den Kies zurückzukriegen.«
»Ja«, stimmte Delphick zu. »Und deshalb bin ich ja in Sorge.«
Das war gutgegangen. Und hatte eigentlich gar nicht weh getan. Nur der Mund fühlte sich natürlich noch komisch an. Immerhin, besser als Zahnschmerzen. Weisheitszähne waren wirklich schrecklich überflüssig. Schon letztes Jahr in London hatte der Zahnarzt sie gewarnt und gemeint, der Zahn sei eingekeilt, worunter sie sich nicht viel vorstellen konnte; und wenn er mal anfinge zu schmerzen, müsse er gezogen werden. Das hatte er getan, und jetzt war er draußen. Sie hatte Dr. Geldsons Namen und Adresse unter den alten Papieren gefunden, aber angenommen, sie müsse mindestens einen Tag warten – Zahnärzte hatten doch immer so viel zu tun. Doch nein: Dr. Geldson hatte am Telefon sofort gesagt, für eine Verwandte von Mrs. Bannet würde er es irgendwie möglich machen; wenn sie nachmittags nach Rye kommen könne, werde er sie einschieben, wahrscheinlich am Spätnachmittag. Sie hatte also den Morgenbus nach Brettenden genommen und dort zu Mittag gegessen; auf diese Weise war sie rechtzeitig hergekommen, und die Sache war gemacht worden. Nun hatte sie fast drei Stunden Zeit bis zur Rückfahrt. Mit dem Achtuhrdreißig würde sie gerade rechtzeitig in Brettenden sein, um den Abendbus nach Plummergen zu kriegen. Sie hatte eigentlich vorgehabt, sich noch ein bißchen in Rye umzusehen, es war so eine reizende kleine Stadt, aber da hatte der Zahnarzt gestreikt. Er hatte ihr geraten, auf der Straße den Mund geschlossen zu halten und soviel wie möglich im geschlossenen Raum zu bleiben, damit die Zahnhöhle nicht auskühle; am besten sollte sie irgendwo etwas Leichtes essen und dann die eine der beiden Tabletten schlucken, die er ihr gegeben hatte, damit sie keine Beschwerden an dem Zahn – genauer gesagt: der Stelle, wo er gesessen hatte – bekam, wenn die Wirkung der Spritze nachließ. Die zweite Tablette sollte sie vor dem Zubettgehen nehmen. Es war möglich, hatte er warnend gesagt, daß die Tabletten sie etwas müde machten. Keinesfalls dürfe sie Alkohol dazu trinken. Nun, das hatte sie auch nicht vor.
Hier vielleicht –? Tee und Erfrischungen stand auf dem Schild. Ja, sie wollte sich chinesischen Tee bestellen, wenn’s den gab, und dann ein Omelett und etwas Toast – nein, Brot und Butter waren heute wohl ratsamer.
Miss Seeton betrat das kleine Lokal, gab etwas mühsam – die Zunge wollte nicht so recht – ihre Bestellung auf und machte sich, als das Omelett erschienen war, an den Verzehr. Beim erstenmal verfehlte die Gabel ihr Ziel.
Dr. Geldson hatte gut reden – >etwas Leichtes essen< hatte er gesagt, aber wie schwierig das war, hatte er offenbar nicht gewußt. Wenn man gar nicht mehr richtig wußte, wo der Mund war, und schon gar nicht, ob er offen oder geschlossen war… Vielleicht ging es besser auf der andern Seite und mit der linken Hand. Gegen Ende des Omeletts hatte Miss Seeton einige Übung bekommen; jeder Gabelvoll folgte schnell ein Bissen Brot und Butter. Mit der Hand fand man viel leichter den Weg als mit der Gabel. Teetrinken war wieder recht schwierig. Ein paar Schluck brachte sie herunter, gerade genug, um die Tablette hinunterzuspülen, dann gab sie es hilflos und peinlich berührt auf. Dr. Geldsons Ratschlag mit dem Kino war sicher richtig. Möglicherweise sah sie gar nicht so grotesk aus, wie sie sich vorkam, aber in einem dunklen Kino war man doch nicht so unsicher. Und warm war es da sicher ebenfalls. Miss Seeton bezahlte und machte sich auf die Suche nach einem netten Film.
Saba. Interessant. Man las jetzt soviel von der Forschungsarbeit, die zu solchen historischen Filmen gehörte. Miss Seeton stolperte in dem dunklen Saal über mehrere unsichtbare Gliedmaßen und nahm dann auf einem leeren Sessel Platz. Wie praktisch – über dem Ausgang war eine Uhr angebracht. Wenn sie um Viertel nach acht aufbrach, hatte sie reichlich Zeit, unten an der Straße den Bus zu erreichen.
Laut erklangen die Zimbeln. Auf der Leinwand sah man eine lange Schleppe, mit Pfauenfedern geschmückt; sie hing von den Schultern einer hellblonden jungen Dame, die in einiger Entfernung stand. Eine Stimme
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