Miss Seeton kanns nicht lassen
Plummergen aus südlicher Richtung über die Fernstraße New Romney – Folkestone. Dem sind keine Motorradfahrer begegnet. Ich kenne Plummergen nicht sehr gut, aber hier ist eine kleine enge Straße am Ende des Dorfs…«
»Ja, neben Miss Seetons Haus«, sagte Delphick.
»Natürlich. Jedenfalls: Da hat sich unser Wagen aufgestellt und alle Wagen kontrolliert, die aus südlicher Richtung nach Plummergen kamen. Darunter waren die Quints. Sie haben einen kleinen Lastwagen und waren in der Mittagspause mal ‘n bißchen spazierengefahren, hatten auch Butterbrote bei sich.«
Delphick blickte auf. »Ich denke, der kleine Bruder sei vor dem Postamt gesehen worden.«
Brinton blätterte um. »Ja, stimmt. Aussage von Miss Seeton. Sie haben nachher versucht, ihn durch seine Schwester zu befragen, sie ist die einzige, die ihn versteht, aber es kam nichts dabei raus. Nach ihrer Behauptung hat er gesagt, er habe gar nichts getan, bloß so rumgestanden, und da sei sie plötzlich aus heiterem Himmel aufgetaucht und habe ihm eins mit dem Schirm versetzt.«
»Wieso mußten die Quints an so einem kalten Märztag im Freien picknicken?«
»Keine Ahnung. Vielleicht wollte das junge Glück mal allein sein. Jedenfalls sagt sie, sie habe dem Jungen was zu futtern hingestellt und sei mit ihrem Mann ins Grüne – irgendwo in die Nähe der Straße Rye-Hastings. Und weder sie noch sonst jemand haben Motorräder gesehen. Es bleibt also nur – « er schlug einige Seiten um – »die Kanalstraße nach Rye, die wenig befahren ist. Kein Wunder übrigens: lauter Schlaglöcher und Windungen und gerade breit genug für einen Wagen. Der einzige Fahrer, den wir da ungefähr zur richtigen Zeit feststellten, fuhr einen kleinen Lieferwagen und könnte die Motorräder leicht überhört haben, wenn er gerade in einem Haus was ablieferte. Übrigens – « er schlug eine Seite zurück und fand die gesuchte Stelle –, »ja, das dachte ich mir. Die Hosiggs wohnen unten am Kanal. Sie wurden wie alle Anwohner befragt, ob sie was gehört hätten. Hatten sie aber nicht. Der Junge schlief er fährt einen Lastwagen, meist nachts –, und das Mädchen will beim Kochen gewesen sein. Unsere Leute haben sich schnell mal dort umgesehen, weil sie nun gerade da waren. Die jungen Hosiggs haben eine alte Klapperkiste, aber von Motorrädern war nichts zu sehen.«
Delphick stand auf und begann, ruhelos im Zimmer auf und ab zu gehen. »Das Netz zieht sich zusammen. Aber bei diesem Goffer-Mädchen ist es nur eine Zeitfrage, und das macht mir Sorgen. Im Moment ist sie vielleicht nicht gefährdet – sie hat ja eure farbenprächtige Leibwache. Bleibt Miss Seeton – auch da bin ich etwas unruhig.«
»Nanu?« fragte der Chief Inspector erstaunt. »Das verstehe ich nicht ganz. Nach allem, was ich von ihr gehört habe, würde sie die Räuber doch mit der linken Hand erledigen. Oder besser – fein säuberlich mit dem Schirm aufspießen.«
Delphick stand am Fenster und blickte hinaus, ohne etwas vom Verkehr wahrzunehmen. »Wissen Sie – es mag weit hergeholt sein, aber ich hab’ mich mal mit Ihrem Dorfpolizisten Potter unterhalten. Er ist nicht dumm, und seine Frau ist auch ganz helle, tut auch irgendwas im Kirchenrat oder so. Er sagt, die Schwachköpfe dort seien der Ansicht, daß Miss Seeton den Überfall zusammen mit dem jungen Hosigg ausgeführt habe. Dann soll sie ihn entweder übers Ohr gehauen und das Geld selbst geklaut haben, oder sie hat ihren Auftritt in der Poststelle nur in Szene gesetzt, um seine Flucht zu decken und die Verfolger aufzuhalten.«
»Aber es war ja gar kein Geld im Karton! Nichts als eine Postanweisung«, protestierte Brinton.
»Weiß ich. Aber das paßt den Leuten dort nicht. Sie finden, man habe sie vor der ganzen Welt zum Narren gehalten. Die Artikel von der Forby in The Negative haben auch nicht gerade geholfen; auch dafür geben sie natürlich Miss Seeton die Schuld und ebenso dafür, daß die Forby überhaupt dort ist. Und daß wir dort sind. Womit sie ja recht haben, wenn auch aus anderen Gründen. Jedenfalls: für sie steht es fest, daß erhebliche Beträge entwendet wurden – vermutlich hat der Poststellenhalter das überzeugend ausgemalt –, und große Summen machen sich nun mal besser für den Lokalstolz.«
»Und das Geld – wo soll das geblieben sein?«
»Oh, das hat Miss Seeton. Ein paar Superkluge haben auch schon angedeutet, Miss Seeton und ich hätten halbe-halbe gemacht, wofür ich mich verpflichtet hätte, den Mund zu
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