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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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eigener Kappe weitermachen. Sollte es noch weitere Sensationen geben, so wollte sie sie direkt an die Redaktion weiterleiten.
    Die herbeiströmenden Neugierigen und die kochende Volksseele nahmen verschiedene Standpunkte ein.
    »Nein, Gertie, da drüben ist es schlecht – die Sonne scheint genau in deine Linse. Von hier kriegst du’s besser auf die Platte.«
    »Ich weiß gar nicht, warum wir hergekommen sind, wo doch niemand genau die Stelle kennt.«
    »Überhaupt – das Ganze ist ein Reinfall. Hier sieht man ja gar nichts, weder Blut noch sonstwas.«
    Miss Seeton tat, was man von ihr erbeten hatte: Sie begab sich in die Schule gegenüber von Dr. Knights Klinik und skizzierte in den Klassen etwa fünfzig kleine Gesichter. Die Ergebnisse ließen vom Künstlerischen her sicher einiges zu wünschen übrig, waren aber für die Polizei insofern aufschlußreich, als sie nichts Besorgniserregendes ergaben. Alle Gesichter, auch die ganz flüchtig skizzierten, waren heil und ganz.
    Delphick saß in der Halle des George and Dragon und besah sich die Bilder, als Mel zum Essen hereinkam. Sie fragte, ob sie sie ansehen dürfe. Der Superintendent blickte sie streng an.
    »Ausgeschlossen, Miss Forby. Dies sind polizeiliche Unterlagen – das wäre äußerst ungehörig. Bitte seien Sie doch so gut«, fügte er hinzu, »und stellen Sie sich hinter mich, dann stehen Sie mir nicht im Licht.«
    Mel verzog amüsiert das Gesicht. Sie stand über seine Stuhllehne gebeugt, während er die Bilder so hinlegte, daß sie sie betrachten konnte. Im ganzen waren es fünf Bogen, auf jedem Bogen mehrere Gesichter. Sie musterte sie flüchtig, griff dann über seine Schulter, legte die Blätter zusammen und ließ sie mit der Bildseite nach unten in seinen Schoß fallen.
    »Zeitverschwendung, mein Lieber, reine Zeitverschwendung. Miss S. mag ja eine gute Lehrerin sein, das kann ich nicht beurteilen, aber künstlerisch sind ihre Sachen nicht weit her. Bloß manchmal, wenn ihr was auffällt und ihre Hand die Führung übernimmt, dann hat sie wirklich was los, irgend etwas, eine Fähigkeit – ich kann’s nicht sagen, ich verstehe nichts davon, aber ich weiß, daß es da ist. Wahrscheinlich hat sie Hemmungen.«
    Delphick lachte. Einen weniger gehemmten Menschen als Miss Seeton konnte er sich kaum vorstellen. »Hemmungen – nein. Unsicher ist sie. Sie hält viel von der Freiheit des Ausdrucks, bei wirklich klugen Menschen. Oder bei gut trainierten.« Er grinste. »Daß sie selber klug ist oder klug sein kann – auf die Idee ist sie noch nie gekommen.«
    »Schade um die Vergeudung. Ein paar Skizzen von ihr, wenn sie richtig in Form ist, könnten die Sache viel weiter bringen. So – und jetzt kommen Sie mit, wir trinken ein Glas. Ich lade Sie ein – Spesenkonto.« Sie ging ihm voran in die Bar.
    Delphick legte die Papiere zusammen und folgte ihr. »Ach wissen Sie, Mel – Vergeudung ist eigentlich nicht das richtige Wort, wenn jemand so richtig zufrieden ist«, sagte er.
    »Ich soll einen Betrüger heiraten? Du mußt den Verstand verloren haben.«
    »Maryse…«
    »Wofür hältst du mich eigentlich?« Maryse Palstead zog eine Zigarette aus dem Päckchen in ihrer Handtasche. »Glaubst du, ich habe Lust, mein Leben lang darauf zu warten, daß die Polizei dir auf die Schliche kommt? Meinst du, ich will jedesmal ‘n Herzanfall kriegen, wenn ich auf der Straße einen Polizisten treffe?« Sie steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen. »Glaubst du, immer wenn ich ‘n Strafzettel an den Wagen kriege, will ich Angst haben, ob das nicht ‘ne Falle ist und die Polizei als nächstes zu mir in die Wohnung kommt und mir Fragen stellt?« Die Zigarette schwankte, während sie heftig weitersprach. »Und zwar Fragen nach dir, mein Lieber!«
    »Maryse…«
    »Wofür hältst du mich, sag mal?« fragte sie höhnisch. »Für ‘n Gangsterliebchen, was?« Sie klappte das goldene Feuerzeug auf – ein Geschenk von ihm – und betrachtete ihn über die Flamme hinweg. »Glaubst du, ich hatte vor, deinetwegen auf ein normales Leben zu verzichten?« Sie inhalierte und blies ihm den Rauch ins Gesicht. »Meinst du wirklich, ich wäre bereit, um deiner blauen Augen willen ewig in Angst zu leben?« Sie sah ihn vor sich – die dunklen Augen, das glatte schwarze Haar, den dünnen Schnurrbart – und lachte. »Du mußt von Sinnen sein, mein Bester. Das kannst du doch nicht geglaubt haben.«
    »Aber Maryse, du hast doch gesagt…«
    Verstört ließ sich der Kassierer ihr

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