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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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lag es an mir, muß ich leider sagen. Ich habe nämlich verschlafen, und schuld daran war der Whisky; ich bin so etwas gar nicht gewöhnt. Und dann auch noch die Tablette.« Strahlend lächelte sie die jungen Leute an. So blutjung, die beiden, so schüchtern, und dabei so reell und verläßlich. »Aber jetzt ist doch alles in Ordnung, wie?«
    »In Ordnung«, sagte Len. Und sie fuhren weiter nach Plummergen.
    Im Dorf brodelte es. Langsam waren alle Neuigkeiten durchgesickert; die Buschtrommeln hatten für schnelle Verbreitung gesorgt. Diebstahl: das war unbestritten, die hitzigen Diskussionen gingen nur darum, wer was gestohlen hatte und warum. Die stets gefällige Doris Quint, tief erschrocken und voller Teilnahme mit den Betroffenen -»Nein, was für ein Glück, daß die Sachen alle wieder da sind, nicht?!« –, hatte das ihre zu den Gerüchten beigetragen. Natürlich war wieder Miss Seeton beteiligt: Sie hatte ein Auto gestohlen und es zu Bruch gefahren; sie war verhaftet worden, ihr Führerschein eingezogen. Auch die Hosiggs waren darin verwickelt. Um ihren Verfolgern zu entgehen und sie in die Irre zu führen, war Miss Seeton ins Wasser gesprungen und nach Rye geschwommen. Rauschgift spielte natürlich auch eine Rolle, ebenso Massen von Alkohol. Ströme von Whisky. In Miss Seetons Cottage hatte man eine Orgie gefeiert mit zertrümmerten Möbeln und aufgeschnittenen Kissen und Gardinen, und die Colvedens waren auch dabeigewesen, ebenso die Polizei – es war eben auf niemand mehr Verlaß heutzutage; ferner Miss Knight und diese Reporterin aus London und Miss Treeves, unglaublich, die Schwester eines Pfarrers! Furchtbar. Alle hatten sich – schwer betrunken und ohne Rücksicht auf den strömenden Regen – gegen Mitternacht zu einem Spaziergang aufgemacht, und Miss Seeton war dann heimlich zusammen mit dem jungen Hosigg zurückgefahren und hatte die Sachen gestohlen. Und das alles, während das ganze Dorf sich um sie sorgte und fürchtete, man habe sie umgebracht. Einfach nicht zu glauben, so was.
    Mel Forby war an solche Dimensionen von Dorfklatsch nicht gewöhnt und kochte vor Wut. Denen wollte sie ein Kuhgesicht zeigen.
     
    Aus THE DAILY NEGATIVE vom 29. März
    Idyllisches englisches Landleben
    von Amelita Forby
    III. Kühe auf der Weide
     
    Friedlich träumt das Dörfchen Plummergen im letzten geruhsamen Winkel von Kent. Schafe weiden im Marschland, Kühe grasen auf fetten Wiesen. Weich tönt das tiefe Muhen und das hellere Blöken durch die Dämmerung.
    Es gibt in unserem Dörfchen auch Kühe, die in den Häusern muhen, und ebenso finden sich blökende Schafe in manchen Wohnstuben.
    In diesem Dörfchen, wo das Leben gelassen vorüberströmt und niemals etwas passiert – bis auf Überfälle und Einbrüche: Den Rekord hält eine Nacht mit drei Untaten…
    … wo ein Regenschirm fieberhaft arbeitet, um Menschen zu retten…
    … wo ein Besuch beim Zahnarzt als Orgie bezeichnet wird…
    … wo junge Liebe und redliche Gesinnung auf Hohn und Verleumdung treffen…
    … wo Tag und Nacht die Polizei am Werk ist, um zu helfen, zu wachen und zu schützen, um schließlich völlig mißverstanden zu werden…
    In diesem Dörfchen, wo alles möglich – und auch geschehen – ist: hier fehlt jetzt nur noch Mord.
    Wie lange noch?

8
    Effie Goffer genoß ihr Dasein wie noch nie. Täglich wurde sie zur Schule gebracht und von der Schule nach Hause begleitet; wohin sie auch ging, einer der zwei stämmigen Polizisten ging mit ihr.
    Doch auch das verlor seinen Reiz. Ihr liebster Zeitvertreib war es immer gewesen, anderen nachzuspionieren, und dem konnte sie nicht mehr nachgehen. Wer selbst kontrolliert wird, kann nicht andere bespitzeln. Das ärgerte sie. Langsam wurde ihr klar, daß jemand, der auf Schritt und Tritt begleitet wird, auch auf Schritt und Tritt unter Beobachtung steht. Es war genau ihr Lieblingsspiel, das jetzt mit ihr gespielt wurde: >Ich seh’ was, was du nicht siehst.< Was du nicht siehst -? Denen würde sie’s zeigen! Sie wartete, bis abends ihre Leibwache abgelöst wurde. Auf dem Weg nach Hause und ins Bett rannte sie plötzlich los und war verschwunden.
    Am nächsten Morgen fand ein Landarbeiter auf seinem Weg zur Arbeit die Leiche in einem Graben.
    Belagerungszustand in Plummergen. KINDERWÜRGER SCHLÄGT VON NEUEM ZU. Die Polizei wurde verstärkt; die Presse wurde verstärkt. Schaulustige erschienen in Mengen. Auch die Entrüstung nahm zu. Mord als Zeitungslektüre mag angehen, aber dabei muß es

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