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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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bleiben. Vor allem aber muß ein Mord unter allen Umständen woanders stattfinden, wo käme man sonst hin? Und diese Bedingungen waren hier gründlich mißachtet worden, daher die allgemeine Entrüstung.
    In Rytham Hall bei den Colvedens hatte die Nachricht von der Untat das Frühstück restlos verdorben. Auch die Zeitung blieb ungelesen.
    »Wißt ihr was«, sagte Lady Colveden, »ich glaube, die meisten Leute sind so entsetzt, weil sie im Grunde gar nicht entsetzt sind.« Nigel sah seine Mutter an. »Doch, das ist wahr«, protestierte sie. »Ich jedenfalls habe das Gefühl, ich müßte schockiert sein, tief betroffen, und das bin ich nicht. Diese Effie war ein gräßlicher Balg. Die Mutter tut mir natürlich leid – ehrlich leid, obgleich, wenn ich sie wäre…« Sie fing den Blick ihres Mannes auf. »Doch, George, das ist es ja gerade. Die ganze Sache ist so schrecklich, weil keiner sie schrecklich findet.« Sie nahm sich einen Toast und trank einen Schluck Tee; dann fuhr sie ratlos fort: »Ich muß mich ja wohl um die Mutter kümmern, was?« Schweigende Zustimmung antwortete ihr. »Was soll ich ihr bloß sagen? >Tut mir leid, daß Ihr Kind umgebracht worden ist – hier haben Sie ein Glas Marmelade.< Kann ich es nicht einfach ganz lassen?« fragte sie ihren Mann, erhielt jedoch keine Antwort. »Na ja, das wußte ich ja.« Seufzend erhob sie sich und stellte das Geschirr zusammen.
    Die Reaktion der Polizei war blanker Zorn, der bei Delphick mit Verzweiflung gemischt war. Sie ersuchten um Verstärkung, machten sich an die Arbeit und verhörten jeden einzelnen. Delphick selbst nahm die beiden Quints vor. Das Ergebnis war Null. Der Pathologe gab als Zeit des Mordes die Stunden zwischen sechs und acht Uhr abends an. Die restlichen forensischen Einzelheiten – Draht, Tötungsart, Verletzungen – kannte Delphick schon auswendig.
    Quint war sorglos, heiter und hilfsbereit; in seinen Notizen bezeichnete ihn der Sergeant als >dreist<. Ja, am Nachmittag hatte er einen Spaziergang gemacht, um mal Luft zu schnappen. Um vier war er zurück, legte sich hin und wartete auf Doris. Herzbeschwerden – der Arzt hatte gesagt, er müsse vorsichtig sein. Der Nervenzusammenbruch als Folge von Überarbeitung war also, vermerkte Delphick, jetzt zu Herzbeschwerden geworden. Er sagte nichts dazu – es war ja schließlich kein Widerspruch, eins konnte die Folge des anderen sein. Der Junge, sagte Quint, war auch dagewesen, jedenfalls zeitweise, er habe nicht darauf geachtet. Nach dem Essen hatten sie vor dem Fernseher gesessen – meist Quatsch, das Programm – und waren dann ins Bett gegangen. Er hatte von nichts eine Ahnung gehabt, bis morgens der Milchmann kam.
    Doris’ Bericht stimmte damit überein. Sie war um fünf mit Putzen fertig gewesen, und zwar im Hause Lilikot, bei den beiden Damen, die im Dorf >die Zicken< genannt wurden, kein Wunder, sie aßen ja auch nur Grünzeug. Jammerten immer noch wegen ihrer Sachen, ganz gräßlich, wo sie doch überhaupt alles wiedergekriegt hatten. Jedenfalls war sie um zehn nach fünf zu Hause gewesen und hatte das Abendbrot vorbereitet – Eier und schöne Dosenspaghetti mit Schinken und dann noch Käse. Dann hatten sie, wie Dick angegeben hatte, das Fernsehprogramm angesehen und waren zu Bett gegangen. Furchtbar, als sie dann heute morgen alles erfuhren. Wirklich schrecklich, was in so einem kleinen Dorf alles passieren konnte. Man konnte zuviel kriegen, tatsächlich.
    Zuviel, dachte Delphick. Die Quintschen Aussagen hörten sich ganz ordentlich, vielleicht sogar plausibel an, aber beweisen taten sie nichts. Doris kam ihm nervös vor, als ob sie etwas zu verbergen hätte. So ehrlich und glaubwürdig ihm die Hosiggs vorkamen, so falsch erschienen ihm die Quints. Ihre Erklärungen und die Gründe, warum sie nach Plummergen gekommen waren, klangen ganz einleuchtend und mochten auch wahr sein, nur fühlten sie sich unwahr an. Er hatte nachforschen lassen, und aus London stand die Antwort noch aus, doch bisher schien kein Mensch etwas von den Quints zu wissen. Es war geradezu, als seien sie vom Himmel gefallen und hier gelandet. Wenn er nicht mehr zusammenbrachte als ein unsicheres Gefühl und vagen Verdacht, den das verdammte Alibi auch noch entkräften konnte, dann mußte er die Sache fallenlassen. Er blickte Doris’ jungen Bruder an, der ihn schon eine Weile beobachtete. Wie verhörte man einen Taubstummen? Konnte er vom Munde ablesen – war er dazu schon alt genug? Übertrieben deutlich

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