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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Ungeheuerlich!
    Miss Seeton spähte angestrengt in die schwach beleuchtete Kirche. Die Ladys, die dort saßen, trugen Masken, und all die Herren waren verkleidet – als Tiere.
    Also darauf hatten sie die ganze Zeit gewartet. Nein, nein, Mr. Foxon hatte kein Wort über eine Maskerade verlauten lassen. Wie unpassend … und falls sie tatsächlich nach ihrem Eindruck gefragt werden sollte … nun, eine derartige Versammlung in einer Kirche, das war, um ehrlich zu sein, schon ein wenig ungehobelt und primitiv.
    Und hier so vor diesen maskierten Leuten zu sitzen … ein ausgesprochen peinliches, unangenehmes Erlebnis. Sie machte sich bereit aufzustehen und entwirrte ihre verschlungenen Beine, dabei plusterte sich ihr weiter dunkelblauer Mantel an den Seiten auf.
    Aus der Ferne drang eine rhythmische Lautenfolge bis ins Innere der Kirche. Das Geräusch wurde allmählich immer lauter – es waren Stimmen, die eine Art Kampfparole skandierten.
    Vor den weitaufgerissenen Augen der Satansgläubigen blähte sich der Umhang der Gottheit auf, als sie sich sammelte, um sich rachsüchtig auf sie zu stürzen. Eine Frau stieß einen schrillen Schrei aus und flüchtete zum Portal. Der große Pan war angerufen worden, und obwohl Miss Seeton – in schlecht ausgesprochenem Griechisch – zweimal versichert hatte: »Der große Pan ist tot«, erhob sich der Gott aus der Antike, um dem Anruf der Normalsterblichen zu folgen, und löste Panik aus. Die kreischende Frau erreichte die Tür, riß sie auf und rannte in die finstere Nacht. Der rhythmische Singsang wurde deutlicher; die Worte waren klar zu verstehen, und die Sänger kamen immer näher.
    »Christliche Soldaten, ziehen in den Krieg …«

    Die Teufelsanbeter waren gefangen zwischen der Bedrohung aus dem Jenseits und den anrückenden Truppen – das so geschickt inszenierte Teufelsritual endete in einem Tumult, als alle gleichzeitig die Flucht ergriffen. Die verängstigten Hexen und Hexenmeister drängten durch das Portal und liefen wie aufgescheuchte Hühner in Richtung Wald. Zusätzlich zu Miss Seetons ungewolltem Auftritt hatte Basil Trenthornes Idee, die Puppe zu präparieren und auf den Opferaltar zu legen, um den Meister ein wenig zu erschrecken, eine größere Wirkung ausgeübt, als Basil voraussehen konnte. Der alte Ziegenbock raffte die Röcke, so daß seine Hosenbeine sichtbar waren. Er vergaß seine majestätische Würde und rannte mit langen Sätzen hinter seinen ehemaligen Anbetern her.
    »… rücken vor …«
    Der Vikar hat die Führung übernommen, Miss Treeves hielt mit ihm Schritt, und hinter ihnen marschierte Mr. Welsted, der Textilhändler und Chorleiter, gefolgt von den Mitgliedern des Kirchenchors in Soutanen und Chorhemden. Die nächste Abteilung bildeten einige Dorfbewohner, während Mrs. Blaine, Miss Nuttle und ihre Abordnung, jetzt, da der kritische Augenblick nahte, dem Vikar umsichtigerweise lieber den Rücken deckten. Alle rissen die Münder auf, um den Sprechchor zu unterstützen, und hielten die Blicke gesenkt, aus Angst, sie könnten sonst über ein Hindernis stolpern. Noch hatten sie die Wegbiegung, die Foxon zum Verhängnis geworden war, nicht erreicht, aber sie konnten die Kirche von der Seite sehen – und die Fenster …
    »Joe, schau, Joe! Da ist Licht, oder?«
    Ein bebendes Raunen ging durch die Reihen der tapferen christlichen Krieger. Sie blieben schwankend stehen und verstummten. Nach einer Weile erholten sie sich von dem  Schock. Schließlich waren sie ja hier, um die Gespenster und bösen Geister aus der Kirche von Iverhurst zu vertreiben, und sie waren nicht allein, Gemeinsamkeit macht stark! Der Chor stimmte sein Lied wieder an und war lauter als zuvor. Die älteren Herrschaften, ermutigt durch die entschlossenen Kinderstimmen, folgten bereitwillig ihrem Anführer.
    »Das Kreuz«, brüllten sie, »schlägt die Legionen des Satans in die Flucht.«
    »Verflucht, seht euch das an – sie laufen tatsächlich davon.«
    Das schrille, aufgeregte Stimmchen des Chorjungen brachte alle anderen zum Schweigen, und die Dorfbewohner beobachteten fassungslos, wie in dem gelben flackernden Licht auf den Stufen vor der Kirche – was? – Menschen oder Wesen sichtbar wurden, sich hastig bewegten und in den Wald rannten. Und nur einen atemlosen Moment später huschte eine Ziege in Menschengestalt mit gerafftem schwarzen Gewand über die Treppe und hetzte der wilden Horde nach. Einige der mutigeren Dorfbewohner sprinteten los, um die Jagd

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