Miss Seeton und der Hexenzauber
aufzunehmen.
»Halt!« bellte Sir George. Er konnte nicht zulassen, daß ungeübte Truppen den Feind auf unbekanntem Gelände verfolgten.
Die Draufgänger blieben beschämt, aber auch erleichtert stehen. Nicht so die Hunde. Der hündische Verstand setzt alles, was davonläuft, mit Spaß und Spiel gleich. Wie ein Mann brachen die Dorfhunde durch die Reihen.
Diejenigen, die angeleint waren, rissen sich los. Mutter Dawkins’ Pekinese führte die Meute an. All das Flehen »Dozey, komm zurück« und die Befehle »Platz, Harro – sitz!« nützten nichts. Kläffend und jaulend stürmten die Hunde in den Wald.
Das Kreischen der Frau hatte die jungen Männer in der unterirdischen Höhle alarmiert, und die anschließenden tumultartigen Geräusche verhießen nichts Gutes. James und Ted ließen ihren Kumpel an der Winde allein, hasteten durch die Krypta und linsten vorsichtig durch den Türspalt. Die Kirchenbänke waren leer, aber die vier Kerzen brannten noch. Sie wagten sich noch ein paar Schritte vor und sahen im Altarraum vor der Flamme einer einzelnen Kerze die Umrisse einer schwarzen Gestalt in Mönchskutte. Teds Kopfhaut kribbelte. Er hatte es gewußt: die anderen Mächte. James knipste seine Taschenlampe an. Die Kutte lüftete sich, und Miss Seeton lächelte ihn verlegen und unsicher an. Das konnte nicht sein – er hatte ihr doch eins auf die Rübe gegeben. Ein Gespenst. Teds Magen fing an zu flattern. James, der sich weniger leicht ins Bockshorn jagen ließ und praktischer veranlagt war, spitzte die Ohren. Die Schreie der fliehenden Teufelsanbeter und die Stimmen der christlichen Soldaten, die über ihre nächsten Schritte debattierten, lenkten seine Aufmerksamkeit auf das offen-stehende Portal. Er flitzte los und verriegelte den Zugang, dann kam er zurück, packte Ted und schüttelte ihn.
»Schnapp sie dir«, flüsterte er. »Schnell. Da draußen sind eine Menge Leute. Ich fahre die Plattform runter und verschließe die Krypta. Komm nach unten, so schnell du kannst.«
Ted gewann allmählich die Fassung wieder. Es konnte sich nur um eine Verwechslung gehandelt haben. Er schlang den Strick seines Schlagstocks fester um sein Handgelenk. Diesmal würde er es richtig machen, dachte er und bog den Schlagstock in den Händen, dann wirbelte er herum. Die Kerze brannte noch, aber die dunkle Gestalt in der Kutte war verschwunden.
Foxon, der heilfroh über die Flucht seiner potentiellen Gegner war und den Gesang vor der Kirche freudig begrüßte, entschied, daß es Zeit zum Aufbruch war. Er wollte zur Tat schreiten, doch gerade in diesem Augenblick krochen die beiden Figuren aus dem Schatten.
Der Strahl der Taschenlampe auf Miss Seetons Gesicht und die Tatsache, daß eine dieser Figuren die Tür verriegelte, bekräftigten ihn in seinem Entschluß. Er packte Miss Seetons Arm, zwängte sie durch die Tür in der Wand hinter ihm und benutzte ihre kleine Lampe, um nach einem Weg nach draußen zu suchen. Es gab keinen.
Ein kleiner, quadratischer Turm. Vor ihm eine riesige Glocke auf dem Boden, daneben eine kleine – wie Mutter und Kind. Neben der kleineren Glocke stand eine Leiter.
Er richtete den Lichtschein nach oben: Die Leiter verschwand in der Dunkelheit, die der dünne Lichtstrahl nicht durchdringen konnte. Der ehemalige Glockenturm.
Hier unten war gerade genug Platz für die Glocken – das war weder ein geeignetes Versteck noch ein Ort, an dem sie sich im Ernstfall ausreichend verteidigen konnten. Wo könnte er …? Er schob Miss Seeton zu der Leiter.
»Können Sie da hinaufklettern?« flüsterte er.
Erst in der Dunkelheit im kalten Luftzug sitzen, dann all diese eigenartigen Menschen in ihren Kostümierungen, und jetzt auch noch eine Leiter hinaufklettern? »Aber warum, Mr. Foxon?« erkundigte sie sich sachlich. »Ich bin sicher, wir haben genug gesehen.«
»Zuviel«, versetzte er grimmig. »Wir hatten den Verdacht, daß etwas wie das hier vor sich ginge, hätten aber nie damit gerechnet, daß sie wiederkommen. Deshalb wollten wir Sie hier haben, nur für den Fall, daß Sie eine Reaktion zeigen, die uns Hinweise auf frühere Vorgänge geben könnte.«
»Eine Reaktion?« wiederholte Miss Seeton verwirrt.
»Ich? Aber wie könnte ich …?«
»Das erkläre ich Ihnen später – jetzt ist dafür keine Zeit.
Diese zwei Männer, die vorhin in der Kirche waren, werden uns hier finden, und sie werden uns ganz sicher nicht mit heiler Haut von hier weglassen; das können sie nicht riskieren, weil sie nicht
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