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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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zubrachten. Und an so eigentümlichen Orten. Miss Seeton strengte ihre Augen an, um die beinahe pechschwarze Finsternis in der Kirche zu durchdringen. Sie hatte so gehofft, daß sie alles, was auch immer man von ihr verlangte, zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber erledigen könnte, aber, um ehrlich zu sein, ihr war immer noch nicht klar – na ja, nicht vollständig klar –, was man von ihr erwartete. Zugegeben, dieser nette Mr. Foxon – ein ausnehmend sympathischer junger Mann – hatte ihr alles noch einmal erklärt, aber selbst er schien nicht in vollem Umfang zu begreifen, daß man sich bei Dunkelheit unmöglich einen Eindruck verschaffen und schon gar keine Zeichnung von einer Kirche anfertigen kann, die man nie gesehen hatte. Und obwohl dieser Mantel, den Mr. Foxon umsichtigerweise für sie geborgt hatte, sehr komfortabel war, bedeckte er trotz seiner Größe nicht ihre Knöchel. Dieser kalte Luftzug! Miss Seeton zog verstohlen ihre Beine unter den blauen Wollstoff. Wenn sie schon hier herumsitzen mußte, konnte sie die Zeit auch nutzen. Sie legte ihren rechten Fuß auf den linken Schenkel, dann faßte sie nach unten, ergriff ihren linken Fuß und plazierte ihn auf dem rechten Schenkel. So. Das war schon besser. Wirklich außerordentlich. Als sie zum erstenmal in Jeden Tag jünger mit Yoga eine Fotografie von einem Gentleman im Lotussitz gesehen hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, daß sie selbst einmal so beweglich sein würde. Aber inzwischen fand sie diese Position äußerst bequem. Und unter diesen Umständen, natürlich, konnte sie sich gleichzeitig die Füße wärmen.
    Miss Seeton stieß den Atem aus, zog die Bauchmuskeln zusammen und atmete langsam ein: Bis fünf zählen, das  Zwerchfell und die Brust weiten, dann die Schultern anheben und den ganzen Oberkörper ausdehnen. Bei dem Manöver neigte sie den Kopf zurück, und die Kapuze rutschte ihr bis zu den Augenbrauen. War da nicht …? Ja, ganz sicher, da war ein Licht im Kirchenschiff. Miss Seeton spähte unter ihrer Kapuze hervor und sah ganz deutlich ein Licht durch den Wandteppich schimmern. Es war so gelb. Gar nicht wie Mondlicht. Vielleicht lag das an den Buntglasscheiben. Und, wenn man seine Einbildungskraft bemühte, könnte man fast eine Bewegung, ein Flüstern erahnen.
    Auf die Andächtigen, die durch die Krypta heraufkamen und leise ihre Plätze rechts und links des Mittelgangs einnahmen, übte Dukes neuer Einfall eine wahrlich magische Wirkung aus. Sie saßen im Schein von vier flackernden schwarzen Kerzen auf den Bänken und starrten gebannt auf den trüben, unheimlichen
    Lichtschimmer vor dem Altar, wahrend sich der Fürst der Unterwelt langsam aus den Tiefen erhob. Betört von ihrer eigenen Leichtgläubigkeit sanken einige ehrfürchtig auf die Knie. Sie beobachteten, wie das Licht verblaßte und das schemenhafte Objekt ihrer Verehrung sich umdrehte und die Altarstufen hinaufstieg. Eine Flamme wurde entzündet, und gegen das Licht einer schwarzen Kerze, die auf dem Altar stand, zeichnete sich die Silhouette der Gestalt deutlicher ab. Groß, dunkel, die bedrohlichen, gebogenen Hörner, die aus dem zottigen Kopf ragten … der Satan gebärdete sich majestätisch.
    Miss Seeton nahm eindeutig eine Bewegung zu ihrer Linken wahr, dann ein schwaches Klicken, ein Flackern und noch mehr Licht in ihrem Rücken. Sie versuchte, sich trotz der hinderlichen Kapuze umzudrehen. Mit einem Auge sah sie … Grundgütiger Himmel. Ein Gentleman in Maskierung zündete eine Kerze auf dem Altar an.

    Vor dem umgekehrten glänzenden Messingkreuz warf Seine satanische Majestät die Arme hoch und machte unvermittelt einen Satz zurück.
    Das Polizeirevier in Ashford war chronisch unterbesetzt, und Foxon hatte in den letzten drei Nächten fast bis in die Morgenstunden Dienst gehabt. Jetzt hatte er sich auf dem dreibeinigen, notdürftig reparierten Stuhl in seinen Mantel gekuschelt – sein Geist war zwar willig gewesen, aber das Fleisch hatte ihn im Stich gelassen. Er schreckte aus süßem Schlaf und erfaßte mit einem Blick, daß sich die Szene verändert hatte. Wo vorher alles stockfinster gewesen war, brannte jetzt eine Kerze. Über dem Stuhl, auf dem Miss Seeton gesessen hatte, schwebte ein Kobold mit Kapuze in der Luft, und dahinter stand ein Ziegenbock in schwarzem Gewand, den der Kobold offenbar so sehr erschreckte, daß er entsetzt die menschlichen Hände hochriß. War das ein Traum? Ein Traum, in dem sich diese Nuscience-Versammlung mit der

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