Miss Seetons erster Fall
bei uns getauscht, damit sie Miss Seeton empfangen kann. Und mit Weißkraut oder Blumenkohl bewaffnet kann man auch nicht gut hingehen, das wäre albern. Was also sonst, außer Eiern?«
»Eine Flasche selbstgekelterten Wein?« Nigel trat mit dem Tellerstapel zu ihr an die Durchreiche.
»Sei nicht so eklig.«
»Schön, also Eier. Und was soll ich außerdem machen?« fragte er. »Sie ins Kreuzverhör nehmen oder ihr eine unterzeichnete Erklärung abringen?«
»Du bist ordinär, das ist der Ärger mit dir.« Sie ging zum Tisch zurück und stellte Butterdose, Salz- und Pfefferfäßchen auf das Hängeregal. »Es ist doch klar, daß sie einem leid tut – wegen dieser gräßlichen Sache gestern nacht. Wie wäre dir zumute, wenn du eine alte Jungfer wärest, in ein fremdes Dorf kommst, nach einem schauderhaften Erlebnis, und du bist ganz allein, und niemand besucht dich, niemand nimmt Anteil. Ich finde, das ist sehr traurig.« Das Hängeregal schwankte traurig; einige Gegenstände begannen zu rutschen. Nigel griff danach. »Laß mich machen, ehe alles runterkippt.«
»Danke. Ich sammle die Gläser ein. Natürlich«, setzte sie hinzu, »wenn du rein zufällig ein bißchen mehr von den Geschehnissen erfährst, dann ist das doch nicht schlimm, oder?« Sir George faltete die Zeitung zusammen und legte sie hin. »Oh, George, du bist wieder anwesend. Wie erfreulich. Nigel hat gerade beschlossen, heute nachmittag in Old Mrs. Bannet’s vorbeizuschauen und ein paar Eier mit zu nehmen.«
»Warum?« Sir George nahm seine Kaffeetasse und ging damit in die Küche.
Lady Colvenden stellte die Gläser auf die Durchreiche und steckte den Kopf durch die Klappe.
»Warum? Als Sympathie- und Willkommensgeste natürlich.« Sie machte die Durchreiche zu, nahm die Zeitung und ging zu den Männern in die Küche. Sie öffnete die Geschirrspülmaschine. »Spülst du die Töpfe im Ausguß, Nigel? George, gib du mir bitte das andere. Ich tu’s in die Maschine.«
Ihr Mann reichte ihr einen Stapel Schüsseln. »Warum Eier?«
»Mach mich nicht nervös, George. Weil nichts anderes da ist, darum. Letzte Nacht ist ein Mord passiert.« Sie nahm die Zeitung auf und blätterte sie durch. »Du weißt natürlich nichts davon, weil du nie die interessanten kleinen Meldungen liest, aber es muß hier irgendwo stehen. Sie war dabei, wie die Polizei eine Verfolgungsjagd rund um Covent Garden gemacht hat, oder so etwas Ähnliches. Die Nichte der alten Mrs. Bannet, meine ich.« Er hielt ihr einen Tellerstapel hin. »Nichte zweiten Grades.«
»Was heißt Nichte zweiten Grades, wovon redest du denn, George?« sagte sie gekränkt. »Du hast überhaupt nicht zugehört.« Lady Colvenden blätterte die Zeitung rascher durch. »Komisch, daß immer alles weg ist, wenn man’s sucht.«
Er stellte den Tellerstapel auf ein Bord. »Seite eins, Spalte vier oben.«
Sie schnitt ihm eine Grimasse. »Ekel. Du hast es schon längst gelesen.«
»Old Mrs. B. – Cousine der Mutter. Daher Seeton Nichte zweiten Grades. Außerdem Patentochter von Old Mrs. B.«
»Das ist doch Blödsinn, George. Woher willst du das wissen?«
»Hab’ sie gefragt.«
Nigel hängte den letzten Topf an die Wand. »Vater, du verheimlichst uns was. Du bist der Schirmlady also schon begegnet?«
»Zweimal. Einmal, als sie bei Old Mrs. B. für einen Tag zu Besuch war. Das zweite Mal, als sie nach der Beerdigung aufgeräumt hat.«
»Und das hast du uns die ganze Zeit verschwiegen.« Lady Colvenden klappte die Geschirrspülmaschine mit lautem Knall zu. »Ich könnte dich umbringen, George.«
»Nicht zu empfehlen.« Sir George bückte sich, hob die auseinandergeflatterte Zeitung auf und legte sie auf den Tisch. »Ehefrau immer verdächtig. Engagier jemand. Paß auf, daß man dir nicht zuviel Geld abknöpft.«
»Nein, ehrlich, George. Du kennst sie die ganze Zeit und sagst keinen Ton. Wie ist sie überhaupt, und warum hast du uns nichts erzählt?«
Nigel schnipste mit den Fingern. »Weißt du was – du kennst sie: Also bringst du die Eier hin.«
Sir Georges untersetzte Gestalt bewegte sich zur Tür. »Kann nicht. Muß ins Bett.«
»Ins Bett?« fragte Lady Colvenden verdutzt. »Warum, um Himmels willen?«
»Schlafen.«
»Aber du kannst doch nach Tisch nie schlafen.« Plötzlich war sie beunruhigt. »George, bist du krank? Nein, bitte, sag mir, was los ist.«
»Karnickel«, brummte er und machte die Tür hinter sich zu.
»Noch eine Tasse Tee, Eric?«
»Was?« Erica Nuttel blickte von der
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