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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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hat sie mir eine Menge Mumpitz erzählt, ganz im Ernst, aber trotzdem Mumpitz, und zwar über den Singing Swan bei Brettenden. Sie weiß überhaupt nichts davon – nur das, was ihr erzählt worden ist. Aber aus irgendwelchen Gründen hat sie mir nicht alles gesagt, was ihr mitgeteilt worden ist. Aber warum es ihr erzählt worden ist und warum sie es dann mir berichtet – und warum sie mir nicht alles berichtet, was ihr erzählt worden ist –, das ist es, was mich interessiert. Können Sie mir folgen?«
    »Nein, Sir.«
    »Sie deckt jemand. Und zwar jemand, der seinerseits jemand anders deckt. Das ist, falls Sie es nicht gemerkt haben sollten, eine intelligente Schlußfolgerung.«
    Aber Ranger hörte nicht zu. Er versuchte, sich das Orakel und Miss Seeton beim gemeinsamen Lunch vorzustellen. Seine Phantasie ließ ihn im Stich. Wenn das Orakel anfing, mit Miss Seeton inoffiziell zusammenzuarbeiten, dann mußte man wirklich überlegen, ob nicht ein Antrag auf Versetzung dringend geboten war.
    »Sie sehen bekümmert aus, Bob«, sagte sein Vorgesetzter.
    »Na ja, Sir, Sie allein können schlimm genug sein – Sie sagen so komische Sachen. Aber sie sagt sie nicht nur, sie tut sie auch.«
    »Sie enttäuschen mich, Bob. Sie sollten öfter mit Miss Seeton zusammenkommen.«
    »Um Himmels willen, Sir.«
    »Das ist mein Ernst. Noch eine Lücke in Ihrer Ausbildung. Wenn Sie Miss Seeton nicht begreifen lernen, bringen Sie es als Kriminalbeamter nicht weit. Sie ist das allgemeine Gewissen, Bob – die universelle ledige Tante, Cousine oder Schwester. Das Rückgrat der Menschheit. Die ganze Geschichte hindurch ist sie immer wieder für uns auf den Scheiterhaufen gestiegen – nicht, weil sie Sinn für Heldentum hat, sondern aus Prinzip und weil es ihr nicht im Traum einfallen würde, von ihren Grundsätzen abzuweichen. Sie putzt für uns, näht für uns, kocht für uns, pflegt uns, wenn wir krank sind, und ist uns eine nie versagende Stütze in Zeiten der Not.«
    Der Sergeant sah sich selbst in Notzeiten von Miss Seeton unterstützt. Versetzung genügte nicht – auswandern mußte man. Vielleicht nach Kanada. Zur berittenen kanadischen Polizei. Die nahmen garantiert bloß Männer.
    Delphick legte den Bleistift hin und lehnte sich zurück. »Der ganze verdammte Kram ist so nebulös. Ich weiß, die Morde an den beiden Mädchen haben einen Zusammenhang. Dieselbe Methode. Beide Prostituierte, beide rauschgiftsüchtig, beide Rauschgiftverteilerinnen. Lebel können wir auf den zweiten Mord festnageln, wir müssen ihn bloß noch finden. Aber wir haben nicht das Geringste, das ihn oder die Prevost mit dem ersten Mädchen in Verbindung bringt. Was nützt einem ein sicheres Gefühl, wenn man keine Beweise hat.« Er seufzte. »Gräßlich, bloß auf den nächsten Schritt warten zu können.« Das Telefon schrillte. »Chief Superintendent Gosslin, Sir.«
    Delphick griff zum Hörer. »Hier Delphick, Sir. Die Abendzeitungen? Nein, noch nicht, Sir.« Seine Stirn furchte sich immer mehr, während das Telefon quakte. Schließlich: »Nein, noch nichts. Wie das so geht. Vielen Dank, Sir.« Er knallte den Hörer auf die Gabel. »Verflucht und zugenäht.«
    »Was ist passiert, Sir?«
    »Noch nichts«, sagte Delphick verbittert. »Aber dieser Schwachsinnige, dieser trottelige Pfarrer von Plummergen – alle meine kindlichen Vorsichtsmaßnahmen hat er zum Platzen gebracht. Stellen Sie sich vor: Er ist mit Miss Seeton nach London gekommen, hat sich geweigert, nach dem Inquest bei uns zu bleiben und hat seine Mittagspause dazu benutzt, der Presse ein brillantes Interview zu geben. Vermutlich hat er sich über Miss Seetons Familiengeschichte verbreitet, ihren Aufenthaltsort und die Zeit bekannt gegeben, in der sie für vorsprechende Mörder zu Hause ist – tatsächlich alles und jedes bis auf die Parkmöglichkeiten. Der Chief hat die Abendausgaben schon, und da steht alles drin. Also ist der nächste Schritt jeden Moment zu erwarten. In Kent, nehme ich an.«
     
    Nigel lag auf der Lauer. Ihm war kalt, es war unbequem, und er kam sich wie ein billiger Verschwörer in einem Schauerroman vor. Trotzdem blieb er auf seinem Posten, heilfroh, ein paar Gartenkissen mitgenommen zu haben. Bei der Beschaffung von Informationen hatte er sich darauf beschränken müssen, hin und wieder im Club aufzutauchen, Gesprächsfetzen aufzufangen und vor allem Angela Vennings Stimmungen und ihr leichtsinniges Geplauder zu deuten. Inzwischen war ihm klargeworden, daß seine

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