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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Holztor in der Mauer von The Meadows stand offen. Bob preschte hindurch, rannte an der Garage vorbei, umrundete die Hecke, bremste sich zu knirschendem Stopp an der Hintertür und blickte zu Boden: Glasscherben, ein zerbrochener Regenschirm und zwei Köpfe mit rosa Gesichtern auf der Schwelle der offenen Tür. Er holte tief Luft, hustete wegen der aufsteigenden Gasdämpfe und zog die beiden leblosen Gestalten ins Freie. In diesem Augenblick kam Delphick keuchend um die Ecke. »Bleiben. Sie, Sir. Klinik- so schnell wie.« hustete Bob.
    Delphick nickte, um keinen Atem auf Worte zu verschwenden, und stürzte, sich das Taschentuch vor das Gesicht haltend, in die Küche.
    Als Bob auf dem Weg auftauchte, der zur Klinik führte, Miss Seeton über die eine, Mrs. Venning über die andere Schulter drapiert, wurde er von den Dorfbewohnern mit Hochrufen, von der Presse mit Beifall und von den Fotografen mit Blitzlicht begrüßt. Unterdessen riß sein Vorgesetzter alle Fenster im Erdgeschoß von The Meadows auf und gab dann die neuesten Nachrichten per Telefon nach Ashford durch.
    Dr. Knight trat aus dem Operationsraum in die Halle, sah kurz hin und schnüffelte.
    »Gas?«
    »Ja, Sir.«
    »Wie lange?«
    »Ich weiß nicht, Sir.«
    Der Arzt hielt ihm die Tür zum Operationsraum auf. »Hier hinein. Eine auf den Tisch. Eine auf die Liege. Anne«, rief er die Treppe hinauf, »sag Mutter, sie möchte mir hier unten helfen. Es eilt. Oxygen. Dein Assistent ist wieder da – diesmal mit zuviel auf dem Leibe: zwei Frauen als Stola. Sei so lieb und mach zwei Betten fertig.«
    Man konnte nichts anderes tun als warten.
    Delphick wartete in The Meadows. Er hatte seinen Chef im Yard angerufen, um ihn von dem Vorgefallenen zu unterrichten und auf die Sensation vorzubereiten, zu der die Zeitungen die neuesten Ereignisse zweifellos aufbauschen würden. In Anbetracht der wilden Gerüchte, die im Ort kursierten, waren sie beide der Meinung, daß Delphick der Presse am besten einen umfassenden, mit Tatsachen gespickten Bericht gab, sobald er mit Miss Seeton gesprochen hatte. Nach diesem Telefongespräch war er kurz in der Klinik gewesen, wo er hatte feststellen müssen, daß die beiden Zeuginnen, die er so dringend zu befragen hatte, schon wieder schliefen. Immerhin konnte er diesmal dem Arzt kaum Vorwürfe deshalb machen. Dr. Knight hatte ihm gesagt, Miss Seeton sei »über den Berg« und werde »nicht mehr lange brauchen« und begeistert hinzugesetzt, sie habe sich schon zweimal übergeben. Mrs. Venning könne »möglicherweise durchkommen«, vorausgesetzt, daß sich keine Lungenentzündung entwickelte. »Bis jetzt keinerlei Reaktion, kein Erbrechen, nicht einmal eine Kontraktion.« Der Arzt hatte mißbilligend den Kopf geschüttelt. Sie müßten eben abwarten.
    Delphick war nichts anderes übriggeblieben, als ins Wohnzimmer zu retirieren, wo er Bob zur Durchsuchung des Venning-Hauses abholen wollte. Da aber gerade Anne Knight hereinkam, hatte er es sich anders überlegt. Sie erklärte nämlich, ihre Mutter habe sie, da sie sich im Augenblick nicht nützlich machen könne, hinuntergeschickt, damit sie sich um die beiden Kriminalbeamten kümmere. Ob sie ihnen Kaffee oder sonst etwas anbieten dürfe? Delphick hatte den Wink verstanden. Wo Mrs. Knight voranging, konnte er beruhigt folgen.
    »Nicht für mich, danke schön. Ich wollte gerade gehen. Nein, Sie nicht, Sergeant«, fuhr er fort, als Bob Anstalten machte, aufzustehen. »Sie bleiben hier, bis Miss Seeton zu sich kommt. Und geben Sie mir dann sofort Bescheid. Ich bin drüben in The Meadows. Sie sind mir verantwortlich für Miss Seeton, verstanden? Sie darf auf keinen Fall durchgehen, ehe ich mit ihr gesprochen habe. Wer weiß, was sie wieder vorhat. Sie können sie von mir aus verhaften, ihr den Schirm wegnehmen, machen, was Sie wollen – Hauptsache, Sie halten sie hier fest, bis ich komme.«
    »Oh, Sir, fast hätte ich’s vergessen.« Bob langte in die Manteltasche und zog Miss Seetons Schirm heraus. Die Krücke war abgebrochen, der Rest kaputt. Er plazierte die Trümmer behutsam auf die Sofalehne, wo sie dalagen wie ein Vogel mit gebrochenen Flügeln. »Er hat neben ihr gelegen«, sagte Bob leise. »Und da habe ich ihn in die Tasche gestopft. Es schien. na ja, nicht richtig, ihn dort einfach liegen zu lassen.«
    Die beiden Kriminalbeamten betrachteten die Schirmreste schweigend. Als Anne die respektvolle Haltung, die feierlichen Gesichter sah, hatte sie den Eindruck, als betrauerten

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