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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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und so würde er wahrscheinlich alles herauskriegen, was herauszukriegen war. Nachdem Miss Seeton auf diese Weise mit Mr. Trefold Morton und dem Rauschgifthandel abgeschlossen hatte, betrat sie die Post.
    Miss Nuttel und Mrs. Blaine, im Begriff, dieses Etablissement zu verlassen, blieben stehen, nickten ihr zu und sagten lächelnd: »Guten Tag.«
    Wie ärgerlich. In der Öffentlichkeit konnte man natürlich keine Szene machen. Man mußte lächeln und zur Begrüßung ebenfalls nicken. Oder mindestens ein Nicken andeuten. Miss Seeton blickte starr durch die beiden Frauen hindurch und wandte ihnen absichtlich den Rücken. Ogotto-gott. Jetzt war sie unhöflich gewesen. Aber da sie an Mrs. Venning gedacht hatte und an das, was diese beiden gräßlichen Frauen erzählt hatten, war es ihr einfach unmöglich gewesen, sie zu. Ogottogott. Sie ging zu dem netten Mr. Stillman und übergab ihm den Umschlag. Als er ihn auf die Waage legte und die Frankierung prüfte, war Miss Seeton noch immer nicht imstande, sich über den Affront zu freuen, den sie sich geleistet hatte.
    »Irgend etwas stimmt da nicht«, murmelte sie.
    »Doch, alles in Ordnung«, sagte Mr. Stillman freundlich. »Sogar überfrankiert.« Miss Seeton blickte ihn verständnislos an, schüttelte den Kopf und eilte hinaus. Armes altes Wesen, dachte Mr. Stillman, dieses ganze Hin und Her war zuviel für sie. Nach dem, was man hörte, hätte sie lieber eine Weile in Dr. Knights Heim bleiben sollen.
    Draußen auf der Dorfstraße blieb Miss Seeton verwirrt stehen. Es war lächerlich. Sie sollte doch gleich nach Hause gehen. Sie wandte sich um und ging rasch in die entgegengesetzte Richtung. »Meine liebe Miss Seeton.« Ihre beiden Hände wurden ergriffen und festgehalten. »Was für ein Glück. Ich bin gerade in Dr. Knights Klinik gewesen, um Sie zu besuchen, und man sagte mir, daß Sie schon fortgegangen sind. Erstaunlich. Körperlich ist der Mensch bewundernswert elastisch. Aber ob es auch klug ist? Meine Schwester würde bestimmt dasselbe sagen. Ruhe. Ruhe heilt alles. Und da ich einmal dort war, habe ich in The Meadows vorgesprochen. Ich bin Mrs. Venning selten begegnet – sie gehört nicht zu meiner Herde, fürchte ich –, aber sie ist, und darauf kommt es an, ein Mitmensch. Was für ein tragischer Verlust. Ich wußte nicht, was ich hätte sagen sollen, aber ich hatte das Gefühl, ich müßte es sagen. Und stellen Sie sich vor: Sie ist nicht da. Verreist. Das Haus ist abgeschlossen. Also hat sie es noch nicht einmal erfahren. Was für eine Heimkehr! Vielleicht weiß meine Schwester, wo sie hingefahren ist. Das arme, törichte Kind. Die Jugend – so hemmungslos. Spätnachts baden zu gehen. Wenn ich nur dort gewesen wäre. Aber ich habe es erst heute morgen gehört. Und dann Sie. Hinterherzuspringen, um sie zu retten, wie Sie es gemacht haben, so erzählt man. Geradezu heldenhaft. Ein Beispiel für uns alle«, sagte Reverend Arthur Treeves begeistert. Er beugte sich von seiner Höhe zu ihr herab, schüttelte den Kopf und machte ein strenges Gesicht. »Wenn ich nur einen einzigen wüßte, der Ihrem Beispiel folgte. Es werden auch andere Dinge erzählt. Das beunruhigt mich sehr. Verdrehungen der Wahrheit. Boshafte Lügen.« Empörung rötete sein Gesicht, und mit dröhnender Stimme sagte er: »Boshafter Klatsch ist ein Übel, das sich wie giftiges Gas verbreitet. Das kann ich nicht dulden. Ich muß den Fuß darauf setzen und es zertreten. Ich muß aussprechen, was ich denke.«
    Miss Seeton starrte den Pfarrer an wie eine Blinde. Von dem ehrlich gemeinten, wichtigtuerischen Quatsch hatte sie nur ein einziges Wort aufgenommen. Sie zog ihre Hand zurück.
    »Gas«, sagte Miss Seeton.
    Sie ging rasch um ihn herum. Dann begann sie zu rennen.

13
    Miss Seeton war nicht in ihrem Häuschen. Wohl aber war die Presse dort anzutreffen. Die Nachrichten über die Ereignisse der vergangenen Nacht verbreiteten sich rasch, und die Pressegeier, die sich verzogen hatten, um die Gegend aus großer Höhe zu überwachen, stießen wieder zum Angriff herab. Martha Bloomer hatte sie am Betreten des Hauses hindern, ihnen aber nicht verwehren können, sich vor dem Tor zu sammeln, im Vorgarten herumzustochern und gelegentliche Vorstöße hinter das Haus zu unternehmen. Die Schirmlady machte wieder Schlagzeilen, und daß Redakteure und Reporter gleichermaßen nach Stoff gierten, war begreiflich, denn unter den Überschriften in Riesenlettern mußte ja Text in kleinerem Druck folgen.

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