Miss Sophie, Sie können mir vertrauen
Weise zu mustern, die wirkte, als zöge er sie mit seinem Blick aus. Sie fühlte die Röte in die Wangen steigen. Niemand hatte sie bisher so angesehen.
“Ich habe Sie gewarnt, Miss Marsden. Sollte ich Sie je wieder hier antreffen …”
Nachdenklich lächelnd schaute Lord Helford sie an. Plötzlich ahnte sie, woran er dachte. Die Fassungslosigkeit raubte ihr einen Moment lang die Sprache. Offenen Mundes starrte sie ihn an. Ehe sie sich jedoch so weit gefasst hatte, um ihm sagen zu können, was sie von seinem hochnäsigen, beleidigenden, anmaßenden Benehmen hielt, war er fortgeritten. Mochte er sie für Freiwild halten. Sie hoffte, er wünschte sich, im Erdboden versinken zu können, wenn er seinen Irrtum bemerkte.
4. KAPITEL
Wütend und enttäuscht ritt Lord Helford weiter. Die ganze Sache war klar. James hatte seine Mätresse in Willowbank House untergebracht, nachdem ihm klar geworden war, dass Felicity ihn betrog. Das Haus war nicht groß, aber für eine Frau und ein Kind ziemlich bequem. Zweifellos hatte James ihr das Haus zu guten Bedingungen langfristig vermietet, damit der Schein gewahrt blieb. Nun, dagegen würde er etwas unternehmen müssen. Verdammt wollte er sein, wenn er zuließ, dass Miss Marsden dort wohnte.
Er erreichte das Eichenwäldchen und ritt über einen schmalen Weg zum Flussufer. Die Flussbiegung bildete eine tiefe Mulde, in der tagsüber die Forellen standen. Und dort lag im hohen Gras ein kleiner Junge auf dem Bauch und starrte ins Wasser.
Der Viscount saß ab, ließ die Zügel fallen und ging leise zu ihm. Den Hosen des Kindes sah man an, dass es im nassen Gras gesessen hatte. Die hellbraunen Haare des Jungen kamen David sehr bekannt vor. Neben dem Kind lag ein Stapel Bücher. Es hatte ihn offensichtlich noch nicht gehört.
Er betrachtete den Knaben eine Weile und räusperte sich dann warnend. Sofort rollte das Kind sich auf den Rücken. Sogleich bemerkte David, dass der Junge geweint hatte. Und die überraschte Miene ließ erkennen, dass er jemand anderen zu sehen erwartet hatte. Natürlich hatte er das. Du lieber Himmel! Er hatte die gleichen nussbraunen Augen und braunen Haare wie seine Mutter. Von James hatte er nichts.
Es drehte sich wieder auf den Bauch. “Oh, ich dachte, jemand anderer sei gekommen.” Die Stimme hatte verdrossen geklungen.
“Zum Beispiel deine Mutter?”, fragte David boshaft und bedauerte das sofort. Die haselnussbraunen Augen schauten ihn wieder mit einem Ausdruck unterdrückten Kummers an.
Die schmalen Schultern bebten. “Ja, aber es ist immer Tante Sophie.” Diese Äußerung war mit gebrochen klingender Stimme und flüsternd vorgebracht worden.
David hatte das Gefühl, das Ufer schwanke unter seinen Füßen. Tante Sophie? Tante Sophie? Oh, du lieber Gott! Und sie hatte geahnt, was er, David, gedacht hatte. Oh, Teufel noch mal! Hatte Peter nicht gesagt, man solle sein Misstrauen nicht überhandnehmen lassen?
“Miss Sophie Marsden ist deine Tante?”, fragte Lord Helford weich, während er sich neben die kleine Gestalt hockte.
“Ja.”
“Ich verstehe. Die Ähnlichkeit zwischen euch beiden ist so groß, dass ich angenommen hatte, Miss Marsden sei deine Mutter.”
Mit tränenfeuchtem Gesicht schaute der Junge ihn verblüfft an. “Wie sollte sie das sein? Sie ist nicht verheiratet.”
Ja, wie wohl? David begriff, dass er alles durcheinander gebracht hatte. Er musste verrückt gewesen sein. James hätte sich nie eine fünfzehnjährige Mätresse genommen.
Kit sagte: “Ich weiß, dass Tante Sophie und ich uns ähnlich sehen. Sie und Mama sahen sich sehr ähnlich. Ich nehme an, ich schlage Mama nach. Ich bin Kit Carlisle.”
David nickte. “Miss Marsden war etwas um dich besorgt. Ich habe sie unterwegs getroffen und ihr gesagt, ich würde dich nach Haus schicken, falls wir uns begegnen sollten.”
“Ist sie sehr ärgerlich?”
“Nein, nicht sehr”, antwortete David aufmunternd. “Hast du Grund zu der Annahme, dass sie ärgerlich sein könnte?”
“In dieser Woche bin ich Tante Thea schon zum dritten Mal ausgebüchst”, gestand Kit beschämt. “Sie ist meine Gouvernante. Sie hatte den Raum kurz verlassen und mir mein Ehrenwort abgenommen, bei meinen Büchern zu bleiben. Also habe ich die Bücher da mitgenommen.”
“Einfallsreich”, sagte David trocken.
“Sie sind mir nicht böse?”
“Sollte ich das sein?” Die Frage des Jungen hatte David überrascht.
“Finden Sie nicht, dass ich etwas gemein war?” erkundigte Kit sich
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