Miss Winbolt ist schockiert
Ich besitze nicht deinen Tatendrang. Geh also, ich kann mir gut vorstellen, dass es dir in den Fingern juckt!“
„Ja, begleite und berate du Sir William, Emily. Mich benötigst du dabei nicht. Ich bleibe bei Rosa“, versicherte Philip. Er setzte sich neben seine Gattin und küsste ihre rechte Hand.
Emily spürte, wie sie errötete. Es ist klar, was sie erreichen wollen! dachte sie empört.
„Bitte lehnen Sie es nicht ab, Miss Winbolt. Ihr Bruder denkt sonst, Sie hätten Angst, mit mir allein zu sein“, bat William. „Ich garantiere Ihnen, dass Sie keinerlei Wagnis eingehen. Wir werden in Rufweite bleiben.“ Seine Stimme klang ernst, doch Emily hätte schwören können, erneut das herausfordernde Funkeln in seinen Augen wahrgenommen zu haben …
Philip lachte. „Emily ist viel zu vernünftig, um irgendeinen Blödsinn zu machen. Ihren Urwald zu besichtigen und Verbesserungsvorschläge zu machen ist genau nach ihrem Geschmack.“
„Dann muss ich die Gunst der Stunde nutzen. Sind Sie so weit, Miss Winbolt? Ich verspreche, dass wir uns nicht länger als eine halbe Stunde entfernen.“
„Sagen wir besser eine Stunde, Ashenden“, verbesserte ihn Philip lächelnd.
Verärgert darüber, in dieser Weise ausgespielt worden zu sein, begleitete Emily ihren Gastgeber schweigend durch den überwucherten Zierbogen, der zu den dahinterliegenden Rasenflächen führte. Während William die Zweige für sie zurückhielt, sagte er: „Die Männer haben einen Pfad durch das Gestrüpp geschlagen. Sie brauchen sich um Ihr hübsches Kleid keine Sorgen zu machen, Miss Winbolt.“
Emily sah ihn frostig an und schwieg. William hielt inne und schaute ihr ins Gesicht.
„Sind Sie böse, weil ich Ihr Kleid bewundert habe? Wie seltsam! Ich dachte immer, Damen mögen es, wenn man ihre Kleider bewundert. Warum strafen Sie mich mit solchen Basiliskenblicken?“
„Basiliskenblicke?“
„Ja, so basilisk wie nur möglich. So einen Gesichtsausdruck findet man sonst nur in Regierungsgebäuden.“
„Also bitte, Sir!“, protestierte Emily, die ein Lachen unterdrücken musste. „Das klingt wenig schmeichelhaft. Ist das Ihre normale Art mit Besucherinnen zu reden?“
„Sie sind meine erste Besucherin, insofern ist das schwer zu beantworten. Möchten Sie denn von mir umschmeichelt werden? Ich dachte, das hätten Sie nicht nötig.“
„Es reicht! Wir können ehrlich miteinander umgehen. Und da ich mich aufrichtig verhalte …“
„Davon sind Sie heute besonders weit entfernt, Miss Winbolt. Von Ehrlichkeit kann keine Rede sein, auch wenn Sie mich mit Basiliskenblicken traktieren. Da ist er schon wieder, sogar noch schlimmer als eben!“
„Sir William!“, empörte sich Emily, die am liebsten mit dem Fuß aufgestampft hätte. Ärgerlich sah sie in seine glänzenden blauen Augen und verspürte plötzlich das Bedürfnis, gemeinsam mit ihm zu lachen. Schließlich sagte sie kraftlos: „Ich weiß noch nicht einmal, was ein Basilisk ist!“
„Ich auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass er die Leute unfreundlich anstarrt – sogar Menschen wie mich, die solche Blicke nicht verdienen.“ Seine Stimme klang vorwurfsvoll, aber die Lachfalten in seinen Augenwinkeln zeigten, wie er es in Wahrheit meinte.
„Wir sollten das Thema wechseln!“, tadelte ihn Emily. „Verraten Sie mir lieber, ob Sie die Zierurnen und den Brunnen wiederherstellen wollen.“
„Gibt es da noch etwas zu retten?“
„Ich denke schon“, erwiderte sie, während sie näher an die Statue herantrat. „In Stoke Shearings gibt es jemanden, der sich gut damit auskennt und Sie genau beraten könnte. Philip und ich haben seine Diensten bereits in Anspruch genommen. Soll ich ihn für Sie ansprechen?“
Sie gingen weiter und bahnten sich ihren Weg durch Unkraut, entdeckten verziertes Mauerwerk, suchten nach einem Kanal für die Brunnenanlage, nach zugewachsenen Wegen und Blumenbeeten. Ihr Gespräch nahm wieder einen offiziellen Charakter an, und William kam es zwischenzeitlich vor, als ob Emily ihn vor lauter Plänen völlig vergessen hätte. Obwohl sie von Charlwoods verborgenen Schätzen begeistert war, verlor sie nie die gesamte Anlage aus den Augen. Fasziniert beobachtete er, wie sie die Rückseite des Herrenhauses begutachtete, mit lebhaftem Mienenspiel den Ausblick auf die Allee bewertete und den Brunnen genauer inspizierte. Ihre Begeisterung war ansteckend, und William fühlte sich erneut zu ihr hingezogen. Wie viele Facetten besitzt diese Frau? Bei ihrer
Weitere Kostenlose Bücher