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Miss Winbolt ist schockiert

Miss Winbolt ist schockiert

Titel: Miss Winbolt ist schockiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Andrew
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die vornehm, liebenswürdig und wunderschön war. Emily wollte einmal in ihrem Leben eine rätselhafte Unbekannte sein, nicht die reiche Miss Winbolt, Schwester des Großgrundbesitzers und begüterte Erbin. Und vor allem wollte sie nicht an das Problem erinnert werden, das sie seit Wochen beschäftigte und sich durch Mrs. Gosworths unsensibles Gerede verschärft hatte.
    „Er spielt keine Rolle, Will“, flüsterte sie. „Im Augenblick zählt überhaupt nichts anderes.“ Versonnen lächelte sie ihn an. „Will“, wiederholte sie seinen Namen und zog ihn erneut an sich. Diesmal war ihr Kuss von Beginn an leidenschaftlich. Der Fremde hielt sie so fest, dass sie jede Faser seines muskulösen Körpers spürte. Er strich ihr über das Haar, küsste ihre Augen und ließ seine Lippen wieder auf ihre gleiten. Emilys Herz schlug wie wild. Sie war von einem Mann geküsst worden, den sie beinahe geheiratet hätte, aber niemals auf diese Weise. Niemals zuvor hatte sie gespürt, wie ihr Blut vor Erregung zu kochen begann. Überall, wo er sie berührte, kribbelte ihre Haut. Erst jetzt wurde ihr klar, wie bedeutungslos die früheren Küsse gewesen waren. Sie fühlte eine überwältigende Sehnsucht, von diesem Mann festgehalten und von ihm liebkost zu werden. Für sie war er kein Fremder – sie gehörte zu ihm. In der Mulde liegend waren sie dem Rest der Welt verborgen und verloren sich im Zauber ihrer Zweisamkeit. Er küsste ihren Hals, ihre Schultern, ihre Brüste …
    Ein Pfeifen störte ihre Idylle. Will Darby war auf dem Heimweg! Emily erstarrte und spürte, wie die starken Hände des Fremden sie zurückhielten. „Bleib liegen“, flüsterte er. „Wenn wir uns ruhig verhalten, wird er uns nicht bemerken.“
    Der Zauber verschwand, als die Realität in Emilys Träume eindrang. Steif lag sie da, bis das Pfeifen verklang. Von Scham überwältigt, riss sie sich los. „Das war Will Darby“, erklärte sie, als sie sich aufrichtete und ihr Kleid glatt strich. Ohne ihn anzusehen fügte sie eilig hinzu: „Sicher wundert man sich, wo ich bleibe. Ich muss los.“
    Als sie sich abwandte, stand er auf und legte ihr die Arme um die Taille. „Ich komme mit dir“, murmelte er nah an ihrem Ohr.
    „Das geht nicht!“, schrie sie panisch und stieß ihn von sich. „Du kannst mich nicht begleiten.“
    „Das kann ich nicht glauben!“, entgegnete er halb im Scherz, halb im Ernst. „So eine grausame Zauberin bist du nicht. Du kannst nicht einfach aus dem Nichts auftauchen, mich verhexen und dann für immer verschwinden! Das lasse ich nicht zu.“
    Emily war hin- und hergerissen zwischen ihrem Schamgefühl und dem Verlangen, zu bleiben. „Bitte, lass mich gehen. Schau mich nicht so an! Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist …“ Aufschluchzend stolperte sie in Richtung des Pfades. Sie raffte die Röcke und rannte wie von Black Samson gehetzt in Richtung Shearings. Als sie einen flüchtigen Blick zurückwarf, stellte sie erleichtert fest, dass der Fremde keine Anstalten machte, ihr zu folgen, sondern kopfschüttelnd stehen geblieben war.
    Nachdem sie hinter einer Biegung verschwunden war, zuckte Will mit den Schultern und hob seinen Gehrock auf. Es war zu spät, um heute noch bis nach Charlwood zu gelangen. Er würde in dem Gasthaus übernachten, wo er sein Pferd und sein Gepäck zurückgelassen hatte, oder draußen die Nacht verbringen. Der Gedanke machte ihm nichts aus. Es war warm, und er war daran gewöhnt. Noch immer kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg. Die Begegnung gab ihm Rätsel auf. Eine solche Leidenschaft, gefolgt von einem derartig abrupten Aufbruch! Warum ist sie gegangen? Ist dieser andere Will ihr Geliebter oder vielleicht sogar ihr Ehemann? Vermutlich würde er es nie herausfinden. Er beschloss, sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Falls Charlwood sich als ungeeignet erwies, würde er sich nicht lange in der Gegend aufhalten. Daher war es unwahrscheinlich, dass sie sich ein zweites Mal über den Weg laufen würden. Er bedauerte diesen Gedanken. Etwas an ihr hatte ihn in einer Weise angezogen, wie es ihm schon seit Jahren nicht mehr passiert war. Es war nicht ihr Äußeres – davon war ihm außer ihren silbergrauen Augen kaum etwas in Erinnerung geblieben. Schöne lange Beine hatte sie. Er grinste, als er an ihre vom Ast baumelnden Beine dachte. Aber da war noch mehr. Etwas an ihr hatte ihn auf einer tieferen Ebene berührt. Es war eine seltsame Mischung aus Hingabe und Unschuld …
    Er

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