Miss Winbolt ist schockiert
schüttelte den Kopf und beschleunigte seinen Gang. Das Leben ist zu kurz, um weitere Gedanken an sie zu verschwenden. Aber sie weiß verflixt gut, wie man das Blut eines Mannes in Wallung bringt!
2. KAPITEL
Als Emily Shearings erreichte, war sie völlig erschöpft. Die Prellungen und Kratzer, die sie eine Weile ganz vergessen hatte, plagten sie erneut, und sie humpelte mit schmerzverzerrter Miene durch den Garten auf die Hintertreppe zu. Obwohl sie sich so leise wie möglich bewegte, hatte Rosa sie gehört.
„Emily, meine Liebe! Gott sei Dank bist du wieder zurück! Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, nachdem der Kutscher ohne dich ankam. Aber warum gehst du durch den Hintereingang …?“ Besorgt musterte sie ihre Schwägerin. „Du liebe Güte! Was ist passiert? Nein, verschwende keine Zeit mit Erklärungen – du kannst mir alles später berichten. Erst einmal bringen wir dich auf dein Zimmer.“
Sie half ihr durch die Halle und die Treppe hinauf. Bald saß Emily auf einem Stuhl und wurde von Rosa und Mrs. Hopkins umsorgt. Die Haushälterin stand bereits seit Jahren in Diensten der Familie Winbolt und kannte Emily von klein auf. Behutsam zog sie ihr die zerrissene Kleidung aus und stieß Entsetzensrufe aus, als sie den Zustand von Händen und Beinen bemerkte. Rosa holte derweil Salben und Lotionen und kehrte schließlich mit einem Glas von Philips bestem Brandy zurück. Wenig später lag Emily von Kissen umgeben in ihrem Bett. Ihre Hände waren verbunden, und die Schürfwunden auf ihren Beinen waren sorgfältig gereinigt und mit Salbe behandelt worden. Rosa hockte neben ihr auf der Bettkante und hielt ihr den Brandy an die Lippen.
„Trink alles aus“, sprach sie aufmunternd. „Danach wirst du dich besser fühlen.“
Als Emily zögerte, nickte Mrs. Hopkins zustimmend. „Es sind nur ein paar Tropfen Brandy, Miss Emily. Sie sollten tun, was Mrs. Winbolt Ihnen sagt.“ Sie warteten, bis Emily das Glas geleert hatte. „Wenn Sie mich jetzt nicht mehr benötigen, mache ich mich wieder an die Arbeit, Madam“, sagte sie zur Hausherrin und verließ das Zimmer.
„Sie denkt, du könntest freier sprechen, wenn sie nicht zugegen ist“, erklärte Rosa, nachdem die Haushälterin das Zimmer verlassen hatte. „Dabei hätte sie ruhig bleiben können. Mrs. Hopkins ist die Diskretion in Person.“ Sie schwieg eine Weile und sagte dann zögerlich: „Ich will wissen, was mit dir geschehen ist. Fühlst du dich gut genug, es mir zu erzählen?“
Emily holte tief Luft. „Du weißt, dass ich heute bei Mrs. Gosworth war …“, begann sie und machte eine Pause.
„Ich habe dich gewarnt“, bemerkte Rosa. „Sie ist eine der bösartigsten Personen, die ich kenne. Arme Emily, ich hätte dich begleiten sollen. Hat sie dich gekränkt?“
„Sie hat es versucht“, gestand Emily und verzog das Gesicht. „Aber ich fürchte, ich habe sie enttäuscht. Ich war eher wütend als verletzt, habe indes meine Gefühle nicht gezeigt. Stattdessen habe ich mich sogar bei ihr für den wunderbaren Nachmittag bedankt!“
Rosa klatschte in die Hände und lachte. „Großartig. Das wird sie geärgert haben. Wie lange bist du denn dort geblieben?“
„Nicht eine Sekunde länger als nötig. Aber du kannst dir nicht vorstellen, was mir anschließend passiert ist. Ich muss von Sinnen gewesen sein.“
Rosa riss erstaunt die Augen auf. „Du? Du bist der vernünftigste Mensch, den ich kenne.“
„Heute nicht. Nach der Unterhaltung mit dieser Frau war ich so wütend, dass ich mir Bewegung verschaffen wollte. Deshalb bin ich nicht mit der Kutsche nach Hause gefahren. Ich brauchte frische Luft, lief einfach über die Felder und hatte Pritchards Stier völlig vergessen, als ich Three Acre Field durchquerte.“
„Du bist durch …“ Rosa blickte sie entgeistert an. „Das glaube ich nicht! Hast du denn nicht zugehört, als Will Darby uns erzählte, dass das Biest dorthin umgesiedelt wurde?“
„Doch, aber ich war ganz in Gedanken. Ich habe gar nicht an den Stier gedacht, bevor ich mitten auf dem Feld stand und bemerkte, wie er mich anstarrte.“
Rosa erhob sich vom Bett und lief unruhig auf und ab. „Großer Gott, wenn ich daran denke, was alles hätte passieren können …“ Fassungslos sah sie Emily an. „Wie konntest du nur so fahrlässig sein? Das passt gar nicht zu dir! Dieser Stier …“ Sie nahm ihre Schwägerin in den Arm. „Wir hätten dich verlieren können.“
Emily bemühte sich zu lachen. „Einige
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