Miss Winbolt ist schockiert
muss sich geirrt haben.“
Sie betraten das Herrenhaus. Die Eingangshalle war von Bauschutt befreit, und der Marmorboden erstrahlte in neuem Glanz. Laura war schon auf dem Weg nach oben. „Ich will den Gewölbebogen sehen!“, rief sie.
Ihr zuliebe besichtigten sie zunächst Lauras künftiges Zimmer. William hatte sogar schon ein paar Bilder aus Jamaika darin aufhängen lassen, ebenso in James’ Zimmer. Die Kinder waren begeistert. Als Laura vom Treppenpodest aus in Richtung einer Reihe von Räumen im hinteren Gebäudeteil hüpfte, hielt William sie zurück. „Nein, Laura, dieser Teil des Hauses ist noch nicht fertig. Wir gehen jetzt besser wieder nach unten.“ Gehorsam schritten die Kinder die Stufen hinunter, und Emily wunderte sich über Williams ungewöhnlich strengen Tonfall. Auf der Treppe wandte er sich an Emily und erläuterte: „Ich habe noch nicht entschieden, was mit den Zimmern geschehen soll. Bis vor Kurzem wollte ich sie mit dir teilen. Sie haben genau den Ausblick, den du so liebst.“
William wusste seine Gefühle gut zu verbergen, doch Emily las zwischen den Zeilen. Diese wenigen Worte verrieten viel über all die Pläne, die er für dieses Haus gehabt hatte, seine Fürsorge und seinen Wunsch, sie glücklich zu machen. Sie wollte sich entschuldigen, erklären, wie sehr sie ihr Verhalten bedauerte, aber sie brachte kein Wort über die Lippen. Schweigend sahen sie sich an und fühlten sich mit einem Mal wieder so stark zueinander hingezogen, dass sie sich näherte und keinen Zweifel daran hegte, dass er sie diesmal in die Arme nehmen würde …
Er küsste sie sehnsüchtig und leidenschaftlich. Dabei zog er sie fest an sich, sodass sie seinen muskulösen Körper spürte, und streichelte sie. Sie gab sich seinen Küssen hin und flüsterte seinen Namen. Sie küssten und küssten einander und vergaßen im Sturm der Gefühle für einen Moment alles, was sie umgab. Nur dieser Ort und dieser Augenblick existierten …
Plötzlich ließ er sie los. Seine Hände zitterten, und mit erschütterter Stimme sagte er: „Das geht nicht, Emily. Es war ein Fehler. Du hast diese Macht über mich. Niemals zuvor ist mir so etwas widerfahren. Aber ich muss einen klaren Kopf behalten. Ich muss! Ich habe zu viele Fehler gemacht.“ Er hielt inne und fügte dann ruhiger hinzu: „Vermutlich muss ich mir noch einmal vor Augen führen, was eine Ehe bedeutet. Ich habe mich geirrt, als ich annahm, ich bräuchte nur ein Haus und eine passende Frau, die nach den Kindern sieht. Inzwischen weiß ich, dass es mehr sein muss – viel mehr.“ Kurz angebunden fügte er hinzu: „Das sind alles Fragen für später. Jetzt müssen wir erst einmal das Problem mit Kidman und seinen Freunden lösen.“
Emily fröstelte, weil er wieder zu seinem geschäftsmäßigen Ton zurückgekehrt war. Wie kann er seine Gefühle beiseite schieben, als wäre nichts geschehen? Bemüht, ruhig zu klingen, bat sie: „Schließ mich nicht aus, William. Ich verstehe, dass du dir wegen Kidman Sorgen machst. Aber schließ mich nicht ganz aus deinem Leben aus.“
Er lächelte wehmütig. „Ich bezweifle, dass ich das könnte.“ Als ein Schrei von unten zu hören war, sagte er rasch: „Wir müssen nach den Kindern sehen.“
Sie gingen in den Salon und fanden James und Laura zankend vor dem Fenster. Als Emily sich umschaute, bemerkte sie, dass Williams Männer wahre Wunder vollbracht hatten. Der Raum wirkte wie verwandelt. Wände und Decke waren verputzt und angestrichen, alle Holzelemente waren weiß gestrichen oder aufpoliert worden, und die filigranen Schnitzereien hatte man restauriert. Charlwoods heller Salon würde zu einem perfekten Ort werden, um Gäste zu empfangen und die wundervolle Aussicht zu genießen. Emily gesellte sich zu den Kindern, die über die Anzahl der Zierurnen im Brunnenhof stritten. Sie schaute hinaus und erinnerte sich an den Tag, als sie hier das erste Mal gestanden hatte. Nur die Farben der Landschaft hatten sich geändert, die Formen waren gleich geblieben, und dieselben Hügelketten erstreckten sich bis zum Horizont.
Sie hingegen hatte sich verändert. Sie war älter und klüger geworden. Ebenso geht es William, dachte sie. Die körperliche Anziehung, die von Anfang an zwischen ihnen bestanden hatte, zog sich wie ein roter Faden durch ihre Beziehung, egal, was sie taten. Mittlerweile gab es jedoch ein tieferes Gefühl, von dem sie spürte, dass es stärker und wichtiger war als jede Leidenschaft. Sie hätte es Liebe
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