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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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oder Restaurantgeräusche. »Du ...« Irgendetwas fiel am deutschen Ende der Leitung mit einem Klirren zu Boden. »Ich glaub, es ist Zeit, Gassi zu gehen.« Eine Männerstimme fragte Chris, mit wem er spreche, und er antwortete: »Mit Max in Santa Barbara.« Chris atmete noch eine Weile hörbar und legte dann auf.
     
    Susan blickte hinaus auf den Fluss, der im Licht des gelben Sonnenuntergangs karamelfarben und gelb leuchtete. Ganz in der Nähe hörte sie Laster und Druckluftbremsen. Musik dröhnte am anderen Ende des Geländes aus Autos - Teenager beim Rauchen und Fummeln. Sie nahm ihre Sporttasche, sprang über ein kleines Kieferngebüsch und kletterte über rissige Felsbrocken und rostige Industriefossile hinunter zum Flussufer. Sie steckte prüfend die Finger ins Wasser - es war kalt wie der Swimmingpool eines Geizkragens. Dann legte sie ihre gesamte Kleidung sowie Karen Galvins Perücke ab - unter einer Perücke juckte und schwitzte ihre Kopfhaut in fast jeder Rolle, die sie spielte - und stieg vorsichtig in den Maumee River. Ihre Zehen berührten Schlamm und Steine, die Innenseite ihrer Beine kribbelten vor Kälte, als stünden sie unter Strom, ihre Achselhöhlen schnurrten durch den Schock zusammen, und schließlich stürzte sie sich wie ein Otter kopfüber in die braune Brühe und tauchte weit draußen in der Mitte wieder auf. Ihr Kopf ragte vor dem Panorama Toledos aus dem Wasser wie ein Periskop. Kurz darauf wusch sie sich mit Randy Mon-tarellis Shampoo die Haare und schüttelte sie dann trocken. Sie zog sich an und setzte die Perücke wieder auf.
    Sie ging ein Stück am Ufer entlang und dann hinüber zu einer Geschäftsstraße mit Schnellimbissen, Autohändlern und komplexen Ampelanlagen. Es war inzwischen fast dunkel, und sie hatte Hunger. Die Schoko-Energieriegel hingen ihr zum Hals heraus. Sie schlenderte durch das gehsteiglose Viertel, als sähe sie ihr Land zum ersten Mal - die Verkehrsschilder, die Autos, die Lichter und die Schaufenster waren größer, heller und protziger als nötig. Der Geruch von Brathähnchen und Diesel-Abgasen stieg ihr in die Nase, aber da sie das bisschen Geld, das sie besaß, bereits ausgegeben hatte, konnte sie sich nichts zu essen kaufen. Der Hunger war kaum noch auszuhalten. Sie lief stundenlang durch die Gegend. Sie kam an achtzig Wendy's, hundert Taco Beils, siebenhundert Exxon-Tankstellen vorbei, und dann gelangte sie zu ihrem neunhundertsten McDonald's, wo sie auf die Toilette zu gehen beschloss. Auf dem Weg zum Restaurant bemerkte sie einen Koch, der aus einem Seiteneingang kam und zu einem Müllcontainer ging, um ein großes Tablett voller unausgewickelter Burger hineinzuwerfen, die nicht mehr verkauft werden konnten. Susan witterte ihre Chance. Sie ging zum Container, schwang sich mit einer flinken Bewegung hinein, die an den Aerobic-Kurs erinnerte, an dem sie in diesem Moment in einem Paralleluniversum teilnehmen mochte, und stopfte ihre Sporttasche mit warmen, eingepackten Cheeseburgern voll. Welch ein Fang. Sie hörte, wie sich Stimmen näherten. Rasch ließ sie die Tasche fallen, machte sich unter der geschlossenen rechten Klappe des Containers ganz klein und hörte zwei Teenager miteinander sprechen.
    »... ich muss rüber zu Heather, wenn ich den Laden hier dichtgemacht habe.«
    »Ist sie immer noch sauer auf dich?« 
    »Überhaupt nicht, Mann.«
    Der Zweite warf zwei grüne Mülltüten in den Container, die auf Susans Füße hinunterrollten. »Ich hab ihr eine Tätowierung spendiert, und jetzt ist sie total nett zu mir ...«
    Rums!
    Der linke Deckel krachte herunter. Susan hörte ein gedämpftes Gespräch über Frauen sowie das unmissverständliche Geräusch eines Schlüssels, der die Klappe über ihr abschloss.
     

Kapitel Zehn
     
     
    »Denk dran, wie toll wir aussehen werden, wenn du aufwachst. «
    »Mom, ich lass mich operieren, nicht du.« »Susan Colgate, ich habe verdammt vielen Karnickeln das Fell abgezogen, um deine Kieferkorrektur zu bezahlen, und das ist jetzt nicht der richtige Moment, um undankbar zu sein. Jetzt nimm meinen Finger und zähl von hundert rückwärts.« Susan hielt sich an Marilyns Finger fest, zählte: »Hundert, neunundneunzig, achtundneunzig, siebenundneunzig ...«, und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, fand sie sich in einem kühlen, schummrig beleuchteten grauen Zimmer wieder. Marilyn saß in der Ecke, rauchte genau eine halbe Salem, drückte den Rest aus und zündete sich dann eine neue an

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