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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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auf den Weg nach Indiana.
     

Kapitel Dreizehn
     
     
    Am Tag, den John für seinen Walkout wählte, ahnte er morgens beim Aufwachen noch nicht, dass dies der große Tag sei sein würde. Er verspürte eher eine Art Stechen - um 10:30 Uhr auf dem Staples-Parkplatz, während er unter einem regenlosen Himmel die Tür seines Saabs zuschlug -, und da wurde ihm klar, dass die Zeit gekommen war. Seine Seele ächzte ganz sacht, wie ein Haus, das sich kaum merklich von seinem Fundament hebt. Es war ein Gefühl wie jener Augenblick einmal im Jahr, wenn er die Luft einsog und wusste, dass der Herbst da war; oder der Moment, wenn ein zahmes Tier nach der Hand seines Herrn schnappt und sich in eine wilde Bestie zurückverwandelt.
    Er schlug die Wagentür zu, und die nervigen Pieptöne aus dem Innern verstummten. Cindy und Krista hatten seinen Besitz aufgelöst und waren wieder losgezogen, um ihre Schauspielkarrieren voranzutreiben. Er hatte 18 Dollar 35 in seinem Portemonnaie, die er in die Muskelschwundbüchse an der Kasse bei Staples steckte. Er stopfte seine Geldbörse mit seinem Führerschein, seinen Kreditkarten, seinen diversen Geheimnummern, die er sich nie hatte merken können, sowie den Sicherheits-Keycards für seine Wohnung und das Studio diskret in eine wegschmissene Kentucky-Fried-Chicken-Box, die er in einen Abfalleimer warf.
    Er hatte ein blaues Baumwollhemd mit Button-Down-Kragen an, eine bis dahin ungetragene kakaofarbene (»Niemals Schokolade«, wie der Zwilling Cindy ihn belehrt hatte) Hose und ein Paar glänzende schwarze Collegeschuhe, die Melody ihm vor langer Zeit einmal zum Geburtstag geschenkt hatte. Er nahm seine Armbanduhr ab und legte sie an einer Bushaltestelle auf die Bank. Schmuck trug er nicht. Seine Vision von Susan fiel ihm wieder ein. Sie war so klar und überzeugend gewesen. Das erinnerte ihn daran, wie er sich gefühlt hatte, als er an der High-School auf die Bühne gerufen wurde, um sein Abschlusszeugnis entgegenzunehmen. Er war seit Jahren nicht mehr krank oder schwächlich gewesen. Unter seiner Robe hatte er einen geradezu athletischen Körper und erfreute sich bester Gesundheit. Mitglieder der Hübsche-Mädchen-Clique bestätigten ihm durch neckisches Quietschen in der Menschenmenge hinter ihm, dass er tatsächlich ein neuer Mensch war, der gerade in einen neuen Lebensabschnitt eintrat. Ihm wurde schwindelig bei der Erkenntnis, dass ein Teil seines Lebens ganz und gar vorbei war und etwas unzweifelhaft Großartigeres vor ihm lag.
    Er marschierte in Richtung Osten und war eine Stunde später schweißgebadet. Essen.
    Es war Zeit zu essen und auszuruhen. Ein paar Blocks weiter stieß er auf einen Burger King, und kaum dass er drinnen war, fiel John ein, dass er kein Geld hatte, daher bat er um ein Glas Wasser und bekam es auch, während er sich zu entscheiden versuchte, was er essen wollte. Ein flüchtiger Blick in einen Spiegel am Tresen erinnerte ihn daran, dass er sich an jenem Tag noch nicht rasiert hatte und jetzt dieses kurze Zeitfenster erreichte, in dem er verwegen wirkte, bevor er wenig später aussah wie jemand, der dringend Medikamente brauchte. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Geschäftsführer mit einer Miene, die den Anschein erweckte, er habe nicht genug Personal.
    »Noch nicht. Danke.« Es hatte keinen Zweck, länger zu bleiben. In seiner Begeisterung, abzuhauen, hatte er das Thema Essen gänzlich übergangen, in der Annahme, das würde sich schon irgendwie ergeben. Als er sich von dem mit kühler Luft gefüllten Restaurant-Würfel entfernte, kam er nicht umhin, den farbenfrohen Kompost ungegessener Lebensmittel in den zahlreichen Mülltonnen davor zu bemerken, und als er seine Wanderung gen Osten fortsetzte, wurde ihm klar, dass er sich schnell etwas einfallen lassen musste, um etwas in den Magen zu bekommen.
    Die Sonne erreichte ihren Höchststand und sank dann schnell zum Horizont hinab. Autolärm dröhnte ihm pausenlos in den Ohren. Es wurde dunkel. Die Viertel, durch die er wanderte, sahen immer heruntergekommener aus, und bald verschwanden sogar die Schnellrestaurants und die Tankstellen. Er war verschwitzt und durstig und wusste, dass er inzwischen einen ziemlich merkwürdigen Anblick bieten musste. Er fragte sich, wie lange ihn sein 150-Dollar-Haarschnitt noch wie ein normaler Mensch aussehen lassen würde. Vor Hunger und Flüssigkeitsmangel bekam er Magenkrämpfe. Eine Meile weiter entdeckte er an einer Straßenkreuzung einen McDonald's. Zumindest konnte er

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