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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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vergingen.
    Inzwischen war der Hunger unerträglich geworden. Sie gab klein bei und griff nach einem der nicht verkauften Burger, inzwischen erkaltet und nur anhand der Verpackung als frisch zu erkennen. Sie verzehrte ihn mit etwa der gleichen Begeisterung, die ihr Verpackungsflips aus Schaumstoff entlocken würden. Ihr Mund fühlte sich an wie das Innere eines Baseballhandschuhs. Sie riss den Beutel unter sich auf und durchwühlte den Inhalt, bis sie auf einen gewachsten Pappbecher stieß, der noch einen Getränkerest enthielt - einen Schuss Orangenlimonade, der zum Glück mit geschmolzenen Eiswürfeln verlängert war -, und stürzte ihn mit einem Zug herunter. Sie stöberte weiter und sortierte schlappe Fritten, ein paar Päckchen Honig-Senf-Soße, pieksige Trinkhalme und verschmierte Servietten aus. Bingo! Eine fast volle mittelgroße Diet Coke, metallisch und körperwarm, schal und nass. Sie trank sie aus und warf den Becher dann oben auf den Haufen. Dann musste sie pinkeln, und sie tastete im Müll nach Wegwerf-Nachttöpfchen, bis sie zwei leere Milkshake-Becher fand.
    Aus gefalzter Pappe baute sie sich in der Ecke einen improvisierten Schlafplatz. Sie breitete zur Isolation eine Schicht aus trockenen Abfällen als Unterlage aus, und auf einer Seite errichtete sie sicherheitshalber ein Lawinendach, falls der Müll in der Nacht zusammenbrechen sollte. Als Kissen benutzte sie wiederum Pappe, auf die sie eine Tüte voller zerquetschter Pappbecher legte.
    Sie war selbst überrascht, wie gut sie sich in ihrer neuen Welt zurechtfand - in ihrem neuen Leben musste sie ganz unten anfangen, und dies war ihre Feuerprobe. Und daher schlief sie mit einem seltsamen Stolz darauf ein, dass sie mit allem fertig wurde, was sich ihr in den Weg stellte, und ihr Schlaf war traumlos.
    Angsterfüllt schreckte sie auf, als hätte ihr jemand einen Elektroschock versetzt, aus dem Schlaf gerissen durch das metallische Scheppern von Stahl auf Stahl. Morgen - ein Müllwagen war gekommen, um sie und ihr neues Heim hinfort zu heben. Sie hörte, wie jemand die Schlösser über ihr entriegelte, und gleich danach wurde der Container mit einem Ruck hochgehievt, und ihr Körper wurde von den Mülltüten, die an der gegenüberliegenden Wand aufgestapelt gewesen waren, fast erdrückt. Sie überlegte fieberhaft - eine Müllpresse - o Gott. Innerhalb weniger Sekunden stand sie Kopf, durchweicht von auslaufender Limonade, die sich über ihren Schlafplatz ergoss. Dann fiel der Boden aus ihrer Welt, und als sie auf die Ladefläche des Lasters purzelte, war sie für einen kurzen Moment schwerelos. Müll prasselte auf sie nieder, und die Morgensonne blendete sie.
    Die Ladefläche war voll, und zum Glück besaß der Wagen keine Presse. Susan kam sich vor wie Bugs Bunny, als sie ihren Kopf aus dem Abfall reckte und über den Rand auf die Geschäftsstraße blickte, die sie am Abend zuvor entlanggegangen war und die jetzt im Licht der tief am östlichen Horizont stehenden Sonne dalag. Der Laster erreichte eine Autobahn, und ein frischer, burgerfreier Wind füllte ihre Nasenlöcher und blies Ketchup-, Salz- und Pfeffertütchen aus ihren Haaren. Es war eine lange Fahrt, und Susan lag auf dem Müll und spürte die Sonne auf ihren Augenlidern. Der Laster wurde langsamer, schaltete, hielt, fuhr wieder an, bog mehrfach ab und rumpelte dann auf den Sandweg zu einer Müllhalde. Die Lkws um sie herum piepten ebenso wie der, auf dem Susan lag, während sie im Rückwärtsgang manövrierten. Die Ladefläche kippte hoch, höher und dann noch ein bisschen höher, und erneut fühlte Susan sich schwerelos, während sie den herunterrutschenden Abfall emporkrabbelte wie ein Affe, der eine abwährts fahrende Rolltreppe hochsteigt. Schließlich landete sie auf dem Gipfel eines Müllbergs. Sonne - Wärme - Freiheit.
    Sie konnte nur Laster sehen, keine Menschen, und sie stieg hinunter und ging zwischen den Müllkegeln hindurch, scheinbar sauber und adrett, in Wirklichkeit aber von Kopf bis Fuß besudelt.
    Dann kam sie an einer Vogelscheuche gegen Möwen vorbei. Sie klaute ihr den Mantel, eine Daunen-Skijacke für Männer, Größe XL, mit Filzstiftflecken am Saum und einer kleinen Kastagnette aus sportlichen Skilift-Marken, die an ihrem Reißverschluss klapperte.
    In der Brusttasche steckte eine schäbige, billige Pilotenbrille, wie man sie in Restpostenläden findet. Sie setzte sie auf. Sie strich sich die Haare zurück und verließ lächelnd die Müllhalde.
    Dann machte sie sich

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